Michael Zähl CS-V Mischpult (1982/1989)

Foto: Mario Brand

Ein einzigartiger Aufnahmeraum und seine Schaltzentrale – Das CS–V Mischpult im
Can-Studio

Ein Mischpult stellt den Mittelpunkt eines Musikstudios dar. In ihm fließen die akustischen Signale von Menschen und Maschinen zusammen, die sodann eingepegelt, gefiltert, mit Effekten versehen und schließlich zum musikalischen Endprodukt gemischt werden. Obgleich diesen Apparaten damit eine zentrale Rolle in der Musikproduktion zukommt, schaffen sie es selten ins Museum, erst recht nicht als ›Hauptdarsteller‹. Eine Ausnahme bildet hier das CS-V (Abkürzung für: Connys Studio-VCA), ein 56-kanaliges, analoges Mischpult, das eng mit der Geschichte des Can-Studios verbunden ist. Bei dem ehemaligen Kinosaal in Weilerswist bei Köln handelte es sich um eines der wichtigsten westdeutschen Studios der 1980er- und 1990er-Jahre, in dem so verschiedene Künstler*innen wie Joachim Witt, Double, Marius-Müller Westernhagen, die Bläck Fööss und Whirlpool Productions Hit-Alben produzierten. Seit Anfang der 2000er-Jahre ist das Mischpult Mittelpunkt verschiedener (Dauer-)Ausstellungen im rock’n’popmuseum Gronau und lädt zum Staunen und Fachsimpeln ein. Ein genauer Blick auf Gebrauch, Konstruktion und Geschichte offenbart die prägende Rolle technischer Geräte wie dem CS-V.

Das Dossier ist in drei Abschnitte geteilt. Sie können es mithilfe der Buttons entweder chronologisch oder thematisch lesen. Drei​ Infoboxen zur VCA-Steuerung, Entwicklung von Mischpult und Mehrspuraufnahme und CAN im Studio bieten zusätzliche Informationen.

Ein gut durchdachtes Meisterstück – Design Und Funktion

Das CS-V ist ein analoges Mischuplt für die professionelle Musikproduktion. Es wurde 1981 für das Can-Studio mit 32 Kanälen konstruiert und dort 1982 installiert. Die Erweiterung auf insgesamt 56 Kanäle erfolgte 1989. Das Hauptpult wurde bis 2003 aktiv im Can-Studio genutzt, vornehmlich durch den Toningenieur und Produzenten René Tinner. 2003 wurde es aus dem Can-Studio in das rock’n’popmuseum Gronau transportiert, wo es im heutigen Depot bis Ende 2017 in einer ähnlichen Anordnung wie in Weilerswist präsentiert wurde. In dieser Zeit entstanden unter der Aufsicht des Tonmeisters Andreas Grotenhoff bis 2016 weitere Aufnahmen, in denen das CS-V zum Einsatz kam. 

Das Pult besteht aus drei Teilen: dem älteren linken und dem neueren rechten Pult sowie aus einem beide Arbeitsbereiche verbindenden Element, wodurch sich eine arbeitsökonomische Eckkonstruktion ergibt (vgl. Abb.1). Der linke Gehäuseteil steht auf zwei äußeren Profilen mit Rollfüßen. Die Rückseite des Mischpultes wird von abnehmbaren Einsätzen mit eingelassenen Griffen eingenommen, welche bei Abnahme einen Blick ins Innere zulassen. Hier ist unter anderem das Hauptmodul des Automationssystems ›System 4‹ verschraubt.

Abb. 1: Die Kanalzüge nutzen als Blende ein rötlichbraunes Holz, das als Furnier aufgebracht wurde und sich von den meisten zu dieser Zeit eingesetzten Materialien und dem Design anderer Mischpulte (zumeist Metall oder Kunststoffe) unterscheidet (vgl. Zähl 2019: o. S.). Nach Auskunft von Zähl wurde bei dem später hinzugefügten Bauteil bereits ein verfeinerter Prozess genutzt, um das Furnier ansprechender und langlebiger zu gestalten.
Foto: Alan van Keeken

Die Kanalzüge des älteren Pultteils sind dem gleichen Muster aufgebaut. Unten befindet sich zunächst ein gut zugänglicher Flachbahnregler für die Pegelstellung. Darauf folgt der Mute-Schalter und die Panoramaeinstellung zur Platzierung des Signals im Stereobild. Ebenfalls erfolgt hier die Zuordnung zu den verschiedenen Möglichkeiten der VCA-Steuerung, z. B. einer der sechs VCA-Subgruppen. Darüber liegen die Potentiometer für die anteilige Zuordnung des Kanalsignals zu einer der 8 Effekt-Sends, mit denen die Kanalsignale an ein externes Effektgerät verschickt werden können. Eine weitere, kleine Einheit enthält einen zweiten Regler, welcher für die Inline-Funktionalität des Pultes notwendig ist. 

Darüber befindet sich die Equalizer-Sektion, mit der die verschiedenen Frequenzbereiche in vier Bereichen von »Lo« bis »Hi« verstärkt oder abgesenkt werden können. Die Auswahl der Spuren der Mehrspurmaschine erfolgt in einer Einheit, die darüber liegt. Die Kanalzüge schließen jeweils mit einem kleinen Steckfeld ab, das es ermöglicht, die interne Verkabelung zu überbrücken, z. B. mithilfe des darüber angeordneten Steckfeldes und die sogenannten Insert-Effekte einzuschleifen, die nur auf den einzelnen Kanal wirken. Der linke Arbeitsbereich beherbergt neben den 36 in Reihe angeordneten regulären Kanalzügen auch die Ausgangseinheit mit zwei Flachbahnreglern, jeweils für den VCA-Master (links) und die Hauptsumme (rechts), in der alle Signale des Mischpults zusammenfließen.

Abb. 2: Durch eine Glasfront sind Platinen mit Leuchtdioden zu erkennen, welche die Überwachung der Lautstärkepegel der einzelnen Kanäle ermöglichen. Unter der Meter-Bridge befindet sich das Steckfeld, auf dem sich in zwei übereinander angeordneten Reihen Audioanschlüsse befinden, die durch darüber angebrachte weiße Etiketten jeweils in Gruppen von zwei bis acht Eingänge eingeteilt sind.
Foto: Alan van Keeken

Der neuere Arbeitsbereich weist leichte Änderungen auf. Die Pegelanzeige ist hier nun neben dem Fader der jeweiligen Kanäle mit einer dreifarbigen LED-Skala platziert. Zudem kommt eine neuere Tonstellungseinheit zum Einsatz. Am unteren Ende der Arbeitsbereiche beider Pultteile finden sich mit schwarzem Leder und einer Unterfütterung gepolsterte Kanten, die als Flächen zum Ablegen und Aufstützen gedacht sind. Der Lederkantenbesatz ist an den Seiten mit Ziernägeln fixiert. Doppelabnäher unterteilen die Lederpolsterung in einzelne Segmente. 

Insgesamt ist dem Pult eine intensive Nutzung anzusehen. Zu erkennen ist dies an den an verschiedenen Stellen angebrachten Beschriftungsleisten. Dort sind die Schreibflächen teilweise aus der Halterung gelöst und alte Beschriftungen – noch erkennbar – überklebt. Die ledernen Stützen sind ausgeblichen und abgewetzt. An der Schrankseite sind einige der Abdeckungen und Gläser lose. Nach Auskunft der Mitarbeitenden des Museums ist das Mischpult nur noch bedingt einsatzfähig.

Funktion Und Technische Details

Das CS-V weist Grundcharakteristika analoger Profi-Mischpulte auf; die interne Signalführung folgt dem Inline-Prinzip und die Kanäle sind nach der sogenannten Streifenbauweise angeordnet, mit der ab den späten 1960er-Jahren immer mehr Kanäle nebeneinander untergebracht werden konnten (vgl. Smyrek 2013: 221). Es vereint mehrere Funktionen in sich: die Überwachung, das Einpegeln und die etwaige Verstärkung der über den Mikrofoneingang kommenden Signale; die Zuweisung der Kanäle zu den Spuren der Mehrspurmaschine; das Abhören der aufgenommenen Signale der Mehrspurmaschine und die Zusammenführung und Mischung aufgenommener Spuren. 

Die Besonderheit des CS-V liegt in der Verwendung von Steuerspannung in Form der zwei VCA-Schaltkreisen pro Kanalzug und sechs VCA-Gruppen.

Infobox VCA-Steuerung

Bei VCAs (Voltage Controlled Amplifier oder Attenuator) handelt es sich um spannungsgesteuerte Verstärker: Bauteile, die vor allem als Steuereinheit der Hüllkurve von Signalamplituden in Analogsynthesizern bekannt geworden sind. In analogen Mischpulten kommen sie als Fernsteuerung zum Einsatz, da durch Ansteuerung mit einer Gleichspannung Pegelstände und andere Einstellungen geregelt werden können, die sonst nur durch eine mechanische Änderung eines Potentiometers veränderbar wären (vgl. Smyrek 2013: 232). Dadurch können durch einen zugewiesenen Fader beliebig viele Kanäle gesteuert werden. Dies bietet den Vorteil, dass Steuerspannungen genauer und ›schärfer‹ angesteuert werden können, als dies durch mechanische Pegelstellung möglich ist.

Im CS-V kommen die VCAs für eine flexible Steuerung der Lautstärke, für das damals zentrale ›Rauschmanagement‹, also die Verminderung des Signal-Rauschabstandes, sowie für die Möglichkeit einer Automation zum Einsatz. Die verwendeten VCA-ICs sitzen an zwei Stellen im Signalweg, am Eingang, vor Equalizer und Effekten und am Ausgang, vor der Verschickung an die Hauptsumme. Die Fernsteuerung bzw. der VCA wirkt immer an beiden Punkten gleichzeitig. Dies bietet insgesamt mehr Kontrolle und Flexibilität und kann den durch die Equalizer oder andere Effekte auftretenden Verzerrungseffekte bei extremen Einstellungen entgegenwirken (wenn z. B. das Eingangssignal anstatt des bereits verzerrten Endsignals abgesenkt wird). 

Im CS-V kommen VCA-Subgruppen zum Einsatz. ›Echte‹ bzw. Audio-Subgruppen ermöglichen üblicherweise die Zusammenfassung verschiedener Kanalsignale zu einer Zwischensumme, deren Pegel individuell gesteuert werden oder die als eigenes Audiosignal aufgenommen und mit Effekten versehen werden kann (vgl. Enders 1997b: 197). VCA-Subgruppen hingegen summieren kein Audiosignal, sie dienen als Fernsteuerung auf sie geschalteter Kanäle. Der Vorteil besteht hier darin, dass für die Verwendung von Effekten mehr Freiheit besteht (vgl. Jüngling o. J.) und komplexere Arrangements übersichtlicher gestaltet werden können (vgl. Thornton 2008: o. S.).

Die VCAs erlaubten die Nachrüstung zum automationsfähigen Pult, bei dem Pegelabsenkungen der einzelnen Kanäle im Zeitverlauf aufgezeichnet und wieder abgerufen werden konnten. Dabei wurden die Steuerspannungen an den Kanalzügen abgefragt und in eine Art Datenwort gewandelt. Dieses musste auf eine Spur der Mehrspurmaschine kopiert und wieder in ein Audiosignal umgewandelt werden. Die ersten Wandler waren noch so langsam, dass Latenzen auftraten, die sich bei Updates (also dem Hinzufügen neuer Fader-Bewegungen) zu hörbaren Verzögerungen auswuchsen (vgl. Smyrek 2013: 232). Spätere Systeme konnten diese herausrechnen. Auch die Darstellung gespeicherter Einstellungen auf Monitoren und schließlich die Einbindung in eine Digital Audio Workstation konnten durch das System geleistet werden (vgl. Tinner 2019: o. S.).

Abb. 3: Eine weitere konstruktionstechnische Besonderheit besteht in der platzsparenden Zuweisung der Kanäle zu einer der 24 Spuren. Da im Tonstudio meist mehr Kanalstreifen (erst 32, später 56) weniger Spuren der Mehrspurmaschine (zunächst 16, später 24 bzw. 48) gegenüberstehen, müssen die Pultkanäle den Aufnahmespuren zugeordnet werden. Viele professionelle Mischpulte dieser Zeit, wie einige MCI-Konsolen, besaßen dazu aufwendige Lösungen. Am CS-V fand Zähl eine platzsparende Lösung: Es werden nur zwei Drehschalter mit je 12 Stellungen (gerade/ungerade) benötigt sowie ein zusätzlicher Schalter, der bestimmt, ob der Kanal zu einer geradzahligen oder ungeradzahligen Spur geleitet werden soll.
Foto: Alan van Keeken

Startpunkt eines Kommerziellen Studios – Entstehung und Vorgeschichte

Zu Beginn der 1980er-Jahre übernahm René Tinner die Räumlichkeiten in Weilerswist (vgl. Young 1997: 27). Der gebürtige Schweizer war seit 1973 Toningenieur bei Can und hatte Czukay in der Betreuung der eigenwilligen Studiotechnik assistiert. Auf Anregung von Conny Plank gab Tinner dem Inner Space Studio – so der Name, den Can für ihr Studio gewählt hatten - den Namen der mittlerweile auch international bekannten Band und betrieb es unter diesem Namen bis ca. 2007 als kommerzielles Musikstudio. 

Tinner hatte nach seiner Assistenz in Weilerswist neue Tätigkeitsfelder gesucht und wirkte nach der Trennung der Band bei kommerziell ausgerichteten Produktionen mit. Dort lernte er Joachim Witt kennen. Dieser hatte vor, mit einem deutschsprachigen Projekt eine Solokarriere zu beginnen. Zusammen mit dem ehemaligen CAN-Mitglied Jaki Liebezeit, der für viele Projekte in dem Studio als Schlagzeuger engagiert wurde, entstand eine für die NDW zentrale Langspielplatte, die bei dem Major-Label WEA erschien. Silberblick (1980) wurde mit ca. 300.000 verkauften Einheiten zu einem großen Erfolg. 

Witt bot  daraufhin an, mit Teilen der Einnahmen aus Album und Singles das Studio auszubauen. Zur Erweiterung der produktionstechnischen Möglichkeiten wurde unter anderem das CS-V in Auftrag gegeben: Laut Tinner lässt sich Witt dank dieser Investitionen als ›eigentlicher Vater‹ (vgl. Tinner 2019: o. S.) des Can-Studios in seiner heutigen Form bezeichnen; die Rechnungen für das Mischpult und andere Anschaffungen wurden direkt an ihn geschickt.

Abb. 4: Liner-Notes des Albums Silberblick.
Foto: rock'n'popmuseum

Konstrukteur des Mischpults war Michael Zähl, der in Connys Studio tätig gewesen war. In diesem gehörte die Umsetzung von Planks Ideen zu den Hauptaufgaben, beispielsweise die Konstruktion von Effektschaltungen oder Interfaces. Diese mussten aufgrund von Termindruck und den hohen Kosten der Studiozeit oft als ›fliegende Schaltungen‹, konzipiert und innerhalb weniger Tage gefertigt werden. Zähls erste größere Arbeit bestand in der Konstruktion eines Inline-Mischpults zwischen 1979 und 1980. Es weist vor allem äußerlich große Ähnlichkeit mit dem CS-V auf. 

Bereits im Zusammenhang mit der Konstruktion dieses ersten Pults verweist Zähl auf die wichtige Rolle des Konstrukteurs Peter Leunig, der ihm beim Bau der Mischpulte beratend zur Seite stand und auch einige Schaltungsdesigns entwickelte. Dieser hatte bei der in Hamburg ansässigen Barth KG als freier Mitarbeiter an der Konstruktion verschiedener hochwertiger Studioeffektgeräte mitgewirkt (vgl. Fuchs 2019: o. S.) und versuchte später unter eigenem Namen Studioequipment zu entwickeln. 

Eine weitere Voraussetzung der Entstehung des Mischpults war die kreative Atmosphäre in Planks Studio. Diese trug dazu bei, dass anspruchsvolle Projekte wie das CS-1 oder das CS-V mit bescheidenen Mitteln umgesetzt werden konnten. Die Idee, die Alu-Frontplatten mit einem Echtholzfurnier zu versehen, entsprang beispielsweise einer Diskussion mit dem Schreiner des Studios. Die Fertigung fand jedoch in eigens angemieteten Räumlichkeiten in der Umgebung statt und bildete gleichzeitig den Kern für die spätere Firma Zähls, die Zähl Elektronik-Tontechnik, welche bis heute in Bergisch Gladbach analoge Mischpulte und Peripheriegeräte produziert (vgl. Zähl 2021: o. S.).

Infobox Entwicklung von Mischpult und Mehrspuraufnahme

Die Bedienoberfläche und die Funktionalität von Mischpulten entwickelten sich ab den 1950er-Jahren vor allem entlang immer umfangreicherer Mehrspurtontechnik. Diese Entwicklungen zeigen sich auch im Aufbau des CS-V und dessen Veränderungen. Zunächst kamen bei großen wie bei kleinen Studios noch Radiopulte zum Einsatz, die meist über wenig Eingänge verfügten. Zudem waren für eine Aufnahme jeweils zwei Mischpulte vorhanden: Eines sorgte für die Abmischung des Monitoring und eines für die Mischung des tatsächlich auf die Tonbänder zu bannenden Endresultates (vgl. Smyrek 2013: 225).

Eine fundamentale Veränderung der Benutzeroberfläche erfolgte durch Bill Putnams Firma Universal Audio. In den maßgeschneiderten Mischpulten waren bereits Equalizer eingebaut, auch ordnete Putnam die Ein- und Ausgänge sowie weitere Funktionen in einem standardisierten Verfahren übereinander an: Der heute noch maßgebliche vertikal geordnete Kanalzug war entstanden (vgl. ebd. 2013: 89). Als Reaktion auf die rasche Erhöhung der Anzahl verfügbarer Spuren in den Mehrspurmaschinen von zunächst zwei auf vier und acht und schließlich auf 16 und 24 erweiterte sich allmählich auch die Anzahl der zur Verfügung stehenden Kanäle (vgl. Théberge 2004: 768).

Eine Neuerung am Mischpult, die mit der Mehrspurtechnik einherging, war die Etablierung des Flachbahnreglers. Viele alte Pulte besaßen bis in die 1960er-Jahre hinein verschiedenste Interfaces für die Pegelstellung, oft große runde Drehregler oder Hebel. Tom Dowd, Toningenieur bei Atlantic Records, führte Mitte der 1950er-Jahre 8-Spur-Aufnahmegeräte ein und stellte fest, dass bei den klobigen Reglern »ein Mitführen der Aussteuerung immer nur auf zwei Kanälen möglich war« (Wicke 2017: 76). Die ihm zugeschriebene Einführung flacher, leichtgängiger Schieberegler ermöglichte es, so berichtet er es in einem Interview, das Mischpult wie einen »typewriter or a player piano« (Dowd zit. i. Schmidt-Horning 2013: 120) zu spielen, was der Entwicklung des Studios zu einem »Meta-Instrument« (Watson 2015: 25) Vorschub leistete.

Die mit der Etablierung der Mehrspurtechnik einhergehenden Möglichkeiten, verschiedene Arbeitsschritte mit größeren Freiheitsgeraden asynchron vorzunehmen, mussten im Mischpult abgebildet werden. Die Erfüllung dieser und anderer Anforderungen wurde durch die Verbreitung von Transistortechnik Ende der 1950er-Jahre noch einmal beschleunigt (vgl. Burkowitz 1977: 877). Auch die Streifenbauweise war der Verwendung kleinerer Bauteile geschuldet. Eine Vereinfachung stellten die sogenannten »Split-Konsolen« (Smyrek 2013: 225) dar, welche Aufnahme- und Abhörsektion separat, aber in einem Pult bereitstellten.

Mit der Vergrößerung der Spuranzahl stieg auch die Zahl der Kanäle. Mit jeweils gespiegelten Kanälen für das Abhören und Aufnehmen konnten die Mischpulte nun bis zu 96 Einzelzüge auf mehreren Meter Länge umfassen, wodurch manchmal die ganze Band in Beschlag genommen werden musste, um Songaufnahmen zu realisieren und die aufwendiger werdenden Produktionen abzumischen (vgl. Behren 2004: 148). Auf zweierlei Weise reagierten die Konstrukteur*innen von Mischpulten auf diese Problematik. 

Zunächst ist das auch im CS-V verwendete Inline-Prinzip zu nennen, wie es erstmals durch die Firma MCI (Music Center Incorporated) Anfang der 1970er-Jahre auf den Markt gebracht wurde. Dadurch wurden die Pulte bei gleicher Funktionalität wieder kleiner. Hier wird etabliert, dass beide Signalwege für das Aufnahme bzw. die Abmischung in einem Kanalzug bereitgestellt werden. Realisiert wird dies durch die Hinzufügung eines zusätzlichen, in seiner Funktionalität reduzierten Pegelstellers, der meist ohne Tonstellersektion auskommt (vgl. Smyrek 2013: 226 ff.). Je nachdem, in welchem Arbeitsschritt man sich befindet, lässt sich die Signalwegfunktion über einen Schalter tauschen. Die Anzahl der Ein- und Ausgänge für die jeweiligen Kanalstreifen erhöht sich dementsprechend, da die Kontrolle der aufgenommenen Signale, wie auch die Mikrophoneingänge in einer Funktionseinheit untergebracht sind. Dies, gepaart mit den umfangreicheren Kanalzügen, kann auch zu mehr Unübersichtlichkeit führen (vgl. ebd.: 228).

Eine weitere Reaktion auf die gestiegene Anzahl der Kanäle wie auch auf die immer aufwendiger werdenden Mischungen war die Etablierung der Pult-Automation. Prominent eingeführt wurde diese von den Firmen Neve und SSL (Solid State Logic) (vgl. Watson 2015: 16 f.). Durch sie wurde es möglich, Einstellungen des Mischpultes zu speichern – was unter dem Schlagwort des »Total Recall« bekannt wurde – und Kanalamplituden und andere Parameter im Zeitverlauf aufzuzeichnen. Das bereits oben explizierte Prinzip der VCA-Automation galt lange als funktionale Grundlage jeglicher Automation analoger Pulte, da die so gewonnenen Daten sich für die Wandlung ins Digitale eigneten. Zum Ablesen der Einstellungen und zur Speicherung kamen neben der im CS-V verwendeten Varianten verschiedene andere Systeme zum Einsatz. Waren die gespeicherten Pegel zunächst durch kleine Lämpchen ablesbar, wurden bald motorisierte Flachbahnregler eingesetzt, die wie von Geisterhand die gespeicherten Einstellungen wiederherstellten oder im Zeitverlauf steuerten. Für die Speicherung setzten sich gegen die Aufzeichnung auf Tonbändern und die Nutzung von Timecode als Zeitgeber Festplatten und Disketten durch, die bald keine Latenzprobleme mehr aufwiesen (vgl. Smyrek 2013: 233).

Abb. 5: 1989 kam der schaltungstechnisch aktualisierte und vor allem aufgrund des Einsatzes für das Mastering um einige Funktionen reduzierte rechte Pultteil hinzu. Wie Tinner berichtet, erfolgte diese Erweiterung um weitere 24 Kanäle aufgrund der Anschaffung der zweiten 24-Spur-Maschine, die zum Mastering des Can-Albums Rite Time notwendig wurde (vgl. Tinner 2019: o. S.). Daher handelt es sich auch um reine Line-In-Kanäle, also solche die sich nur für die Hinterbandkontrolle zur Abmischung aufgenommener Spuren oder der »Direct-Injection« (vgl. Hodgson 2019: 46) direkt verbundener Instrumente eignen.
Foto: rock'n'popmuseum

Von Leunig konstruierte Module bildeten die Grundlage der Kanalzüge als Herzstück des CS-V. Vorlage des Mischpultes war das zuerst konstruierte CS-1. Gerade der Umgang mit den nach Zähls Auskunft »selbstmörderischen« (Zähl 2019: o. S.) Schaltungen US-amerikanischer MCI-Mischpulte veranlasste Leunig, bei der Konstruktion andere Wege zu gehen. Das Live-Mischpult besaß zwar den gleichen Schaltungskern wie später das CS-V, jedoch weniger Kanäle und weniger Funktionen. Auch fehlten die VCA-Module. 

Zentral für die Arbeitsabläufe im Studio waren die platzsparende Inline-Schaltung des Mischpults und das frontal erreichbare Steckfeld, sie sorgten für eine zeitsparende Realisierung alternativer Signalwege. Beides ermöglichte einer einzelnen Person, die maßgeblichen Funktionen zu steuern und dabei die mannigfachen Aktivitäten im Studio im Blick zu behalten.

Abb. 6: Um diese Vorhörsignale an die Musiker*innen im Raum zu verteilen, konstruierte Zähl Ende der 1980er-Jahre für das Can-Studio zusätzlich ein mobiles Abhörpult.
Foto: Mario Brand

Wo Alles zusammenfließt – Nutzung im
CAN-Studio und Darüber hinaus

Bestimmend für die Arbeit mit dem Mischpult war die Fortschreibung der räumlichen Anordnung des Mischpults, wie sie bereits bei Can für Aufsehen gesorgt hatte: Das CS-V verblieb im Aufnahmeraum. Mit Ausnahme der Project Studios bzw. dem Home-Recording gilt eine solche Anordnung bis heute als ungewöhnlich. Die Entwicklungen der Aufnahmetechnologie seit Anfang der 1970er-Jahre hatten die Trennung in Regie- und Aufnahmeraum, wie sie mit der Elektrifizierung der Studios entstanden war (vgl. Volmar 2010: 165) eher bestärkt: Nicht nur Klangparameter konnten nunmehr über die Mischpulte geregelt werden, zunehmend fand ein wesentlicher Teil der Komposition im Regieraum statt (vgl. Théberge 2004: 769 f.). 

Ich kannte bis dahin nur herkömmliche Studios mit einem Regieraum hinter Glas und dem Aufnahmeraum. Alles, was da passierte, geschah in zwei Welten: In der Regie passierte etwas, und im Aufnahmeraum passierte was anderes. Das war bei Can nicht so, weil alles im selben Raum stattfand, noch dazu in einem Riesenraum, wie es ihn in anderen Studios so nicht gab. Es gab auch keinen sogenannten Produzenten. Holger spielte Bass und bediente gleichzeitig die Aufnahmegeräte. Das Studio war komplett anders als alles, was ich davor gesehen hatte. (Dallach 2021: 342)

Abb. 7: Allerdings wurde das CS-V anders als zu Cans Zeiten ins hintere Ende des Kinosaals gestellt Das mag als Konzession an die Erfordernisse kommerzieller Aufnahmen verstanden werden, in denen ein Mindestmaß an räumlicher Zuordnung gefordert wurde.
Foto: rock'n'popmuseum

Abb. 8: Blick vom CS-V in das CAN-Studio zu Beginn der 2000er-Jahre.
Foto: Torsten Güttes

Ein von vielen gelobter Vorteil der Anordnung bezieht sich auf die bessere und freiere Kommunikation, die sich zwischen Regie und Musiker*innen ergibt, wenn keine Trennung zwischen Mischpult und Aufnahmeraum besteht. Helmut Zerlett stimmt zu und schreibt, es habe »viele Vorteile, wenn man nicht durch dicke Fensterscheiben und tresorartige Schallschutztüren getrennt ist.« (Zerlett 2021: o. S.). In den Videoaufnahmen aus dem Studio zum Album Bye Bye von Trio kann das Rufen quer durch den Saal ausgemacht werden (vgl. Anonym 2019: 00:01:57), wobei dies sonst durch Mikrophone und sogenannte »Talkback«-Einrichtungen geschieht (vgl. Bates 2012: o. S.). Zwar besaß das CS-V die Möglichkeit dieser üblichen Kommunikationswege, aber sie werden – gerade bei kleineren Besetzungen – nicht zum Einsatz gekommen sein. 

Es macht die Kommunikation wesentlich einfacher und direkter, es lässt spontaneres Ausprobieren zu – man muss dazu allerdings auch sagen, dass René extrem viel Erfahrung damit hatte und deshalb natürlich alles sehr schnell so hin- und herschieben konnte, wie es gebraucht wurde. Ich kann mich erinnern, dass wir ständig vor und zurück gelaufen sind, von hinter dem Mischpult nach hinter das Mikrofon (oder was auch immer wir gerade aufgenommen haben). (Nieswandt 2021: o. S.)

Das »Hin- und Herschieben« verweist auf die in den 1990er-Jahren bereits lang erprobte Verwendung der Trennwände, welche zur Aufteilung und Isolation lauter Klangquellen wie dem Schlagzeug dienten. Sie sind auf Rollen montiert und können je nach Bedarf aufgestellt oder zur Seite geschoben werden: »Das war einfach notwendig, wenn man die eine oder andere Spur etwas lauter oder leiser haben wollte. Da ein Schlagzeug meistens lauter als eine Stimme ist, ist dies unumgänglich.« (Zerlett 2021: o. S.). Zugleich besitzen diese Trennwände fast alle Fenster und transparente Elemente, damit eine visuelle Kommunikation weiter möglich ist.

Der Einsatz dieser Abtrennungen verweist auf ein Spezifikum des Can-Studios unter Tinner: die Möglichkeit, Live-Aufnahmen und ausgedehnte Jams in großer Besetzung in hoher Qualität aufzunehmen und später die einzelnen Spuren nachbearbeiten zu können. Martin Ringsmut sieht hier eine Dialektik zwischen Techniken der Isolation (also Trennwänden usw.) sowie der Ko-Präsenz während der gemeinsamen Aufnahme am Werk. Dadurch entstünde eine Art von ausgestellter »Liveness« im Kontext produzierter Musik (vgl. Ringsmut 2015: 516). Als Beispiele hierfür lassen sich das Album Halleluja von Marius-Müller Westernhagen (1998) und auch die bereits erwähnten Aufnahmen von Trio anführen.

Abb. 9: Als notwendig erwies sich dieser Einsatz vor allem, wenn über das CS-V mehrere Spuren gleichzeitig abgemischt werden sollen, da es sonst zu sogenannten Übersprechern (auch: bleed, spill) kommt, also einem Nachklang bspw. der Hi-Hat auf den daneben aufgenommenen Gesangskanal (vgl. Watson 2015: 68).
Foto: rock'n'popmuseum

Auch in dieser Arbeitsweise kann eine Linie zu Can gezogen werden, die nicht nur meistens live aufnahmen und ihre Jams auf Tonband dokumentierten, sondern bereits mit ihrem spärlichen Equipment Maßnahmen zur Isolation einzelner Kanäle unternahmen. Zuweilen wurde jedoch bei Tinner auf diese Abschirmung verzichtet, wie im Werbevideo von Trio beim Song »Bye Bye« (1983) zu sehen ist, wo Stephan Remmler und Peter Behrens am Schlagzeug einander sehen können (vgl. Anonym 2019: 00:09:23).

Während bei Jazz- und Klassikaufnahmen bis heute die Live-Aufnahme des gesamten Klangkörpers oder der Band als Ideal vorherrscht, hatte sich ab den 1960er-Jahren die Verwendung des Overdub-Verfahrens bei Pop- und Rockmusik als Arbeitsweise durchgesetzt (vgl. Watson 2015: 67 ff, Kealy 1979: 15). Dabei werden die Spuren nacheinander und nicht gleichzeitig aufgenommen. Das führt zu größerer Freiheit in engen Terminplänen, lässt Raum für Fehlerkorrektur und die Auswahl der perfekten Aufnahme und führt auch hinsichtlich vertraglicher Verpflichtungen und etwaiger Animositäten zwischen den Beteiligten zu mehr Flexibilität. Gleichzeitig gehen dadurch Spontanität und Gruppendynamik verloren und es besteht die Gefahr, dass zu viele Auswahlmöglichkeiten bestehen und die Musiker*innen hypersensibel für Fehler werden (vgl. Holthaus/Herbst 2017: 16 f.).

Im Can-Studio wurde auch mit dem üblichen Overdub-Verfahren gearbeitet, bei dem bereits aufgenommene Spuren aus anderen Studios oder Demos als Grundlage genutzt wurden (vgl. Maloo 2013: 134). Viele Mitwirkende stellten die Live-Aufnahmen jedoch als Besonderheit des Studios heraus; durch den verfügbaren Raum und die vorhandene Technologie »war es möglich hier mit einer großen Band live aufzunehmen« (vgl. Zerlett 2021: o. S.). Wichtige Live-Aufnahmen entstanden mit L.S.E. Damit die Live-Aufnahmen zu Für Et Hätz Un Jäjen D’r Kopp (1992) gelingen konnten, fanden vorher ausführliche Proben statt, nur vereinzelt wurden im Nachhinein zusätzliche Spuren aufgenommen (vgl. Engel 1991: 206 f.).

infobox can im studio

Die musikalische Praxis der 1968 gegründeten Gruppe Can  war von Anbeginn mit der Aufnahme in Form von Mitschnitten ausgedehnter Jams (Schmidt/Kampmann 1998: 148) und der Arbeit im Tonstudio verbunden. Viele ihrer Stücke entstanden als »spontanous or collective compositon« (Adelt 2012: 364), die geplante, ›komponierte‹ mit spontanen Elementen verbanden. Während bereits in den 1960er-Jahren zunehmend das Potential studiotechnischer Anlagen für zeitversetzte oder kumulative Aufnahmen in der Musikproduktion genutzt wurde, blieb die Band prinzipiell dem Ideal treu, live aufzunehmen (vgl. ebd.: 134). Voraussetzung dafür war das eigene Studio, wo keine Abhängigkeit von hohen Studiomieten oder Zeitdruck bestand: »Die Benutzung eines eigenen Studios« sei zudem »Ausdruck eines festen politischen Standpunktes gegenüber den Gepflogenheiten des Musikbusiness gewesen« (ebd.: 136 f.).

Das Tonband nahm in diesem Konzept eine zentrale Rolle ein. Häufig wurden Live- und Studiospuren im Nachhinein verfremdet, geschnitten und zu neuen Stücken kombiniert (vgl. Young 1997: 29; Hall/Bussy 1992: 135). Diese Art des ›Protosamplings‹ wurde durch den Bassisten Holger Czukay (vgl. Schmidt/Kampmann 1998: 178) meist in einem getrennten Arbeitsschritt vollzogen (vgl. Adelt 2012: 363) – gelegentlich erfolgten auch Live-Einspielungen von einem Rundfunkempfänger mithilfe einer Morsetaste. Auch entstanden ganze Stücke, die aus Schnipseln verschiedener Jams montiert wurden (vgl. Schmidt/Kampmann 1998: 156). Notwendig wurde dies aber vor allem, da für die Veröffentlichung einige Stücke gekürzt werden mussten und anfangs auch durch die fehlenden Mischkapazitäten der »Sound irgendwie durchs Schneiden« hergestellt werden musste, wie sich Schlagzeuger Jaki Liebezeit erinnert (Schmidt/Kampmann 1998: 326). Dahinter stand auch die Philosophie, dass es »kein Can-Stück« gebe, das jemals »fertig« sei, so Irmin Schmidt, der Keyboarder der Band (Hall/Bussy 1992: 133). Dies stand in einem Spannungsverhältnis zu der technischen Beschränkung, die sich durch die Ausstattung mit zu Beginn nur zwei Arbeitsspuren ergab:

Solange wir mit dieser […] Technik aufnahmen traten im Mix gelegentlich eine ganze Menge Fehler auf. In Future Days zum Beispiel ist die Orgel nicht sonderlich präsent, aber sie konnte nicht neu gemischt werden, weil es eine Zweispur-Aufnahme war – da konnte nicht mehr viel verändert werden (Hall/Bussy 1992: 134).

Die Mischung der verschiedenen Signale wurde zunächst behelfsmäßig ohne Mixer vorgenommen und durch die direkte Laustärkenregelung an Verstärker und Instrument realisiert bzw. über die »Vorverstärker unserer Abhörer« (Young/Schmidt 2018: 80f; Schmidt/Kampmann 1998: 142). So kann vermutet werden, dass Jaki Liebezeits nicht nur rhythmisch genaue, sondern auch auf die Lautstärke der einzelnen Instrumente des Schlagzeugs bezogene dynamische Genauigkeit eine Anpassung an das Equipment bzw. die wenigen Möglichkeiten zur nachträglichen Korrektur darstellte. An anderer Stelle wird zu Protokoll gegeben, dass dieses genaue Spiel auch die nachträgliche Montage deutlich erleichterte (vgl. Dallach 2021: 339). 

Dasselbe gilt für Czukays Verantwortung für den Sound, für den er allerdings in Personalunion mit dem Bass zuständig war, sodass er öfter seine Spielweise entsprechend anpasste, um gleichzeitig in den Mix eingreifen zu können (vgl. Adelt 2012: 364), was allerdings auch zu Spannungen in der Band führte, da er die Arbeit an seinem Instrument vernachlässigt habe (vgl. Schmidt/Kampmann 1998: 98).

Mitte der 1970er-Jahre zog die Gruppe von Proberäumen im vom Kunstsammler Christoph Vohwinkel zur Verfügung gestellten Schloss Nörvenich in ein neues Studio in Weilerswist, einem kleinen Dorf in der Nähe von Köln. Die neuen Räumlichkeiten befanden sich in einem alten Kino: Während die ›Sarotti-Bude‹ zum Tonbandlager umfunktioniert wurde, verwandelte sich der Kinosaal selbst in den Aufnahmeraum. Die Band investierte viel Geld aus ihrem ersten Hit »Spoon« in den Ausbau dieser Räumlichkeiten – kurz vorher wurde auch die Mikrofonierung aufgestockt, auf Ege Bamyasi (1972) erhielten die Aufnahmen des Schlagzeugs durch »Neumann-Kondensator-Mikrofone […] Transparenz und Raum« (Schmidt/Kampmann 1998: 160).

Um das Proben und Aufnehmen in Nachbarschaft zu Wohnhäusern zu ermöglichen, wurden 1.500 Bundeswehrmatratzen angekauft, welche zur Auskleidung der Wände genutzt wurden. Als Nebeneffekt erhielt der hohe Saal den damals in vielen Studios angestrebten ›trockenen‹ Raumklang (vgl. Behren 2004: 86), welcher durch die Verminderung des Raumanteils bei Aufnahmen für mehr Freiheit in der nachträglichen Bearbeitung von Aufnahmen mit Effekten führte. Ausreichend waren diese Maßnahmen nicht, mit der Zeit fanden auch verschiebbare Elemente ihren Weg in das Studio. Fotos zeigen Sänger Damo Suzuki z. B. in einer Art Gesangskabine. Allerdings wurde der Saal durch die Band auch als Teil einer Klanginstallation genutzt, in welcher das »Übersprechen der Instrumente« (Wandler 2011: 130) auf andere Spuren und ›Ambience‹ (die Geräusche der Möbel und des Gartens) ihren Weg auf die Aufnahmen fanden. Schmidt führte dazu in einem Interview aus: »Bei einer Musik, die davon lebt, dass sie die gesamte Umwelt mit in die Musik einbezieht – jedes Geräusch, jede Atmosphäre haben die Musik verändert – hat natürlich ein neuer Raum auch großen Einfluss.« (Schmidt/Kampmann 1998: 86)

Schon Ende der 1960er-Jahre hatte die Gruppe ein Acht-Kanal-Mischpult in Kassettenbautechnik zusammengetragen, auf dem bis kurz vor Auflösung der Band die meisten Aufnahmen entstanden. Wie auch schon auf Schloss Nörvenich, so fand auch in Weilerswist das Mischpult mitten im Aufnahmeraum seinen Platz. Wie Czukay es kurz nach dem Umzug in das neue Studio beschreibt, besaß es auch schon rudimentäre Tonstellerfunktionen:

An Tonbandgeräten gibt es zwei Revox A 77 und eine Studer B 62, die wir uns kürzlich angeschafft haben. Die Maschinen werden von einem durchschnittlichen Mischpult (8 Kanäle) eigener Konstruktion angesteuert. Jeder Kanal hat einen Höhen- und Tiefenregler und 4 Präsenzfilter […] Also alles billig, billig – auch der Oszillograf, der über die Aussteuerung Auskunft gibt. (Czukay 1973).

Die Mischapparatur wurde als eine Art ›Bar‹ verstanden; jeder sollte an dem Mix teilhaben können (vgl. Young/Schmidt 2018: 166). Ermöglicht wurde dies nicht nur durch den Verzicht der Trennung von Regie- und Aufnahmeraum, sondern auch über den Einsatz von Kopfhörern (vgl. Dallach 2021: 347) und das direkte Einstöpseln der Instrumente. So wurden teure Monitoranlagen ersetzt, Rückkopplungen minimiert und der Einsatz des Mischpults in dieser Konfiguration erleichtert.

Für Uli Adelt ist der kreative Umgang mit diesen begrenzten Mitteln essentieller Bestandteil des Sounds der klassischen Alben von Can, in denen sich technologische »Unzulänglichkeit« mit dem kreativen Einsatz der Mittel paarte (vgl. Adelt 2012: 364). Liebezeit bestätigt dies: Die Qualität der frühen Album sei unmittelbar mit dem »Produktionsvorgang« verbunden gewesen (vgl. Schmidt/Kampmann 1998: 328). Auch Schmidt spielt mit einer Anmerkung darauf an: »Würden wir in einem anderen Studio als unserem eigenen aufnehmen, wäre das Produkt automatisch manipuliert. Plattenfirmen neigen ja zu der Auffassung, daß gute Musik nur mit einer bestimmten Technik und einer Riesensumme Geld gemacht werden kann. Es ist absurd, und diese Einstellung korrumpiert die Kreativität vieler Musiker.« (Hall/Bussy 1992: 137).

Für das Album Landed (1975) wurde ein durch Tour- und LP-Einnahmen finanziertes neues Mischpult, ein Allen & Heath 16-Kanal-Pult (vgl. Young 1997: 31) und auch eine neue 16-Spurmaschine angeschafft, wie Gitarrist Michael Karoli berichtet (vgl. Jenkins 1983: 15 f.). Das Pult war jedoch nur kurz im Einsatz und sollte eigentlich als Livepult genutzt werden (vgl. Tinner 2019: o. S.). Übereinstimmend berichten Mitglieder der Band, dass das neue Equipment sich auch auf die Arbeitsweise auswirkte: »Das technische Niveau der Aufnahmen wurde immer besser, aber zur selben Zeit bewegte sich die Musik in eine neue Richtung, weg von unseren ursprünglichen Ideen.« (ebd.: 134). Für Czukay führte die bessere Möglichkeit der nachträglichen Korrektur durch die neue Bandmaschine zu einer »regelrechten Kritiksucht« an einzelnen Spuren, die dazu führte, dass öfter nachgebessert werden musste (Schmidt/Kampmann 1998: 170). Overdubs seien danach die Regel geworden, jeder habe nur noch »für sich gearbeitet« (ebd.: 328), was er im Nachhinein als eine Zerstörung der »Gruppenspontanität« empfunden habe (ebd., 330). Nach der Auflösung der Band 1978 wurde bis auf einige Soloprojekte der einzelnen Mitglieder nicht mehr im Inner Space Studio produziert.

Abb. 10: Auch bei der Aufnahme mit der Band Black Fööös in großer Besetzung ist eine ähnliche Anordnung zu erkennen.
Foto: CAN-Studio Konvolut. rock'n'popmuseum

Das CS-V bot durch die VCA-Module die Möglichkeit, flexibel eine große Anzahl an Kanälen mit aufwendigen Effektzuweisungen live zu steuern. Zum musikalischen Einsatz kam die flexible Fernsteuerung der VCAs nach Auskunft Michael Zähls vor allem bei Ein- und Ausfade-Vorgängen. Dies konnte durch die Kombination der Absenkung von Hauptsumme und VCA-Master Fadeouts sehr rauscharm realisiert werden.

Als Folge des räumlichen Arrangements wurde im Can-Studio während der Aufnahme vor allem über Kopfhörer mitgehört. Der Hintergrund war wieder, bei der Aufnahme keine Fremdsignale mitaufzunehmen. Für das Abmischen konnten außerdem Monitorlautsprecher genutzt werden. Diese kamen vor allem beim Mastering zum Einsatz, dem finalen Arbeitsschritt einer Aufnahme (vgl. Hodgson 2019: 149 f.), für den normalerweise sehr spezielle akustisch-räumliche Einrichtungen notwendig sind. Laut Tinner eignete sich der Raum erstaunlicherweise auch für das Mastering; das Album Rite Time (1989) der Gruppe Can wurde in Südfrankreich aufgenommen, aber in Weilerswist mithilfe der erweiterten Konsole abgemischt (vgl. Tinner 2019: o. S.).

Auch die Musiker*innen arbeiteten – wie bereits Can – mit Kopfhörern. Dabei half auch die mobile Monitorstation von Zähl. Zerlett führt zu der Erweiterung der Monitorwege aus, dass »man sich dadurch selbstständiger [fühlte], wenn man nicht alles den Ton Ing [sic!] machen lassen musste« (vgl. Zerlett 2021: o. S.) Für den Toningenieur am Mischpult fiel Arbeit weg, und die Musiker*innen konnten unter verschiedenen Kopfhörermischungen wählen, wodurch wiederum Missverständnisse verhindert wurden (vgl. Williams 2012: 170 f.). Möglicherweise aber führte die fehlende Distanz zuweilen auch dazu, dass ›Dampf‹ gegenüber dem Personal am Mischpult nicht abgebaut werden konnte (vgl. Bates 2012: o. S.).

Abb. 11: Auf Polaroid-Fotos, die höchstwahrscheinlich bei der Aufnahme eines Solo-Albums von Stephan Remmler entstanden, sind mehrere Sänger*innen zu erkennen, die mit dem Kopfhörerpult verbunden sind und gemeinsam in ein Mikrophon singen.
Foto: CAN-Studio Konvolut. rock'n'popmuseum

Über die Praktiken von CAN Hinaus

An die Praktiken von Can wurde nicht nur angeknüpft, sie wurden erweitert. Zugleich war das CS-V Zeichen der kommerziellen Standardisierung und der technisch-musikalischen Praktiken, die mit der Etablierung der 24-Spurmaschine und der Veröffentlichung neuer, digitaler Effekte ab Mitte der 1970er-Jahre einhergingen. Tinner erhielt im Can-Studio viele Auftragsproduktionen. Daher hatte das Studio immer auf dem neusten Stand zu sein. Mit dieser Art von ›technologischem Wettrüsten‹ veränderte sich auch das CS-V Schritt für Schritt. Eine zentrale Erweiterung waren zum Beispiel Module der Firma Dolby zur Geräuschreduktion. Deren Einsatz wurde vor allem durch die steigende Zahl der verwendeten Spuren notwendig (vgl. Smyrek 2013: 162).

Die Aufstellung des Studios in den 1990er-Jahren wird in der Fernsehsendung Housefrau des Musiksenders VIVA festgehalten (vgl. Anonym 1996: 00:03:16). Die Kontrolle der letzten klanglichen Parameter durch die Tonstellungseinheiten und Panoramasektionen des CS-V verblieb allerdings auch bei der Arbeit mit der Houseband Whirlpool Productions bei Tinner. Nieswand beschreibt anschaulich die Kompetenz und Autorität, mit der der Leiter des Studios bis zuletzt kraft seines Wissens und seiner Erfahrung über das scherzhaft »Kommandobrücke eines Hochseedampfers« genannte Mischpult verfügte.

Abb. 12: Ein Beleg für eine fast ›bürokratische‹ Einbeziehung der Technik abweichend vom experimentellen Ansatz der Band Can: Die Belegungspläne Im Kopf des ›Formulars‹ finden sich Felder für den Songtitel, die/den Künstler*in, die/den Produzent*in, für die Start- und Stop-Zeit auf dem Tonband. Für einzelne Instrumente sind zwei Spuren reserviert, auch finden sich Spuren, die nur für bestimmte Zeitabschnitte genutzt werden. Dass zeigt, dass auch im Can-Studio ein Großteil der Arbeiten nicht aus kreativen Entscheidungen, sondern in »mundane technical work« (Bates 2020: 134) bestand: im Warten, Verwalten und Zuweisen.
Foto: Alan van Keeken

Die Aufstellung des Studios in den 1990er-Jahren wird in der Fernsehsendung Housefrau des Musiksenders VIVA festgehalten (vgl. Anonym 1996: 00:03:16). Die Kontrolle der letzten klanglichen Parameter durch die Tonstellungseinheiten und Panoramasektionen des CS-V verblieb allerdings auch bei der Arbeit mit der Houseband Whirlpool Productions bei Tinner. Nieswand beschreibt anschaulich die Kompetenz und Autorität, mit der der Leiter des Studios bis zuletzt kraft seines Wissens und seiner Erfahrung über das scherzhaft »Kommandobrücke eines Hochseedampfers« genannte Mischpult verfügte.

Als es so richtig komfortabel funktionierte, haben wir auch viel Hard Disk Recording gemacht, Vocals usw., bei den späteren Alben. Damit hat man dann natürlich erstmal ziemlich lange in the box gearbeitet, aber wenn ich mich richtig erinnere, wenn es ans finale Mixing ging, alle Filtersweeps programmiert waren, dann routete René alles nochmal separat durch das große Pult, machte dort auch das Panning etc., also auch etwa die Drums nicht als Summe, sondern jede Snare und Hi-Hat einzeln. (Nieswandt 2021: o. S.)

Abb. 13: Mit der aufkommenden Digitalisierung erwuchs dem Pult als zentraler Schaltungseinheit jedoch auch studiointerne ›Konkurrenz‹, so in Form einer »separate[n] Produktionsunit« (vgl. Nieswandt 2021: o. S.), die nicht zuletzt wegen der langen Zusammenarbeit mit der House-Band Whirlpool Productions die gestiegene Bedeutung des Einsatzes von MIDI-Keyboard, Samplern und der am Computer, also »in the box« (vgl. ebd.: o. S.) reflektierte. Dies führte auch dazu, dass viele Schritte zunächst auf dem Computer oder dem von der Band intensiv genutzten Samplern, vor allem dem E6400 Ultra der Firma EMU, realisiert wurden (vgl. Nieswandt 2021: o. S.).
Foto: rock'n'popmuseum

Umzug ins Museum

Ab 2003 begann ein langer Prozess, in dessen Verlauf das Studio – finanziert durch das Land NRW – vom Museum angekauft und bis 2007 als Teil der Dauerausstellung im zweiten Stock möglichst originalgetreu aufgebaut wurde. Der Detailgrad reichte bis zur Nachbildung einer Tür zum Garten und der Imitation des hölzernen Fußbodens des alten Kinosaals. Eröffnet wurde die Ausstellung »Can: Das Studio – Magie und Technik einer Band« in Anwesenheit der ehemaligen Mitglieder der Band CAN am 9. November 2007.

Dort kam das Pult bei Aufnahmen zum Einsatz, verlor aber im Laufe der Zeit immer mehr Funktionen und einzelne Kanäle begannen immer mehr Funktionsstörungen aufzuweisen. Nachdem Tinner bereits in einer auf den Nachbau des Studios abzielenden Ausstellung einige Projekte abgeschlossen hatte, konnte unter der Leitung von Andreas Grotenhoff das Studio für Aufnahmen und Konzerte gebucht werden.

Zum Teil sind dabei noch immer Tonsteller und einzelne Kanalzüge zum Einsatz gekommen. Als Grund dafür nennt Grotenhoff die herausragende Qualität und den Klang des Pultes, die auch Zerlett betont: »Auf einem Pult zu arbeiten, welches eine so hohe Qualität der Komponenten aufweist und außerdem auch noch ein komplettes Echtholz Finish [an] allen Kanalzüge[n] besitzt, ist ein sehr großes Vergnügen!« (Zerlett 2021: o. S.)

Abb. 14: Die möglichst originalgetreue Aufstellung des CS-V und des CAN-Studio im zweiten Stockwerk des rock'n'popmuseum.
Foto: rock'n'popmuseum

FAZIT

Das CS-V steht für die Standardisierung ab Ende der 1970er-Jahre wie für ein besonderes sozio-technisches Arrangement, das von der Band Can musikpraktisch vorgeprägt wurde. Die These Paul Théberges, dass die Mehrpurtechnik und die großen Konsolen von Neve und Co. die Musikstudios zu Nicht-Orten transformiert haben, zu standardisierten, hyperflexiblen, aber jeder Individualität entleerten Räumen (vgl. Théberge 2004: 769), scheint auf den ersten Blick auch auf das CS-V und das Can-Studio zuzutreffen. Gerade in seiner Entwicklung zum technologischen Palimpsest, im Anwachsen der Konsole um mehr Kanäle und Funktionen zeigen sich Ansätze dieser Standardisierung.

Der ökonomische Hintergrund dieser Entwicklung war ein Markt für Musikproduktionen, in dem relativ viele Studios und einer relativ geringeren Nachfrage gegenüberstehen (vgl. Leyshon 2009: 1317). Dies übt einen hohen Druck auf die Studios aus, sich anzupassen und auch im Bereich der Mischkonsolen immer mehr Funktionen, Kanäle und Erweiterungen wie die Automation bereitzustellen. Verschärft wird dieser Wettbewerb durch die laufenden Kosten und hohen Investitionsquoten auf Seiten der Studiobetreiber*innen, welche zu geringen Gewinnmargen führen (vgl. Bates 2020: 131). 

Die Verwendung von Trennwänden zur Isolierung der Schallquellen lässt sich als Ergebnis dieser Entwicklung interpretieren. Die individuellen Charakteristika von Musikstudios werden durch Effekte und Maßnahmen maskiert bzw. verschleiert. Damit verbunden sind auch die »technologies of audition« (vgl. Bates 2020: 130): Talkback-Einrichtungen, die Trennung in Regie und Aufnahmeraum und der Einsatz von spezifischen Kopfhörermixen. Sie produzieren eine standardisierte »audioscape« (vgl. Williams 2012: 166), in welcher durch die Kontrolle der Signalwege mittels des Mischpultes Unsicherheit aufseiten der Musiker*innen erzeugt werde. Es kann ein Machtgefälle zugunsten der Regie und des darin wirkenden Personals entstehen (vgl. Williams 2012: 173).  

Beim Gebrauch des CS-V als Mischpult im Raum scheinen aber gerade diese negativen Folgen durch das Wegfallen der Trennung von Regie und Aufnahmeraum sowie durch die Flexibilität und die akustischen Qualitäten des Saales abgemildert zu werden. Die Kommunikation war durch die Anordnung nicht übermäßig gerichtet und hierarchisiert, die Musiker*innen konnten einfach zwischen Regie und Aufnahmeraum bewegen. Gleichzeitig waren die Vorgänge am Mischpult nicht so verdeckt und unzugänglich wie im klassischen Studiodesign.

DAS DOSSIER WURDE VERFASST VON ALAN VAN KEEKEN.

Quellen

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Interviews:
Interview mit Hans Nieswandt über die Arbeit im CAN-Studio, 25.05.2021.
Interview mit Renè Tinner über die Geschichte des CAN-Studio., 25.04.2019.
Interview mit Michael Zähl über das CS-V Mischpult, 25.06.2019.
Interview mit Helmut Zerlett über die Arbeit im CAN-Studio, 15.03.2021.​ 


Abbildungen

Abb. 1: Die Kanalzüge nutzen als Blende ein rötlichbraunes Holz, das als Furnier aufgebracht wurde und sich von den meisten zu dieser Zeit eingesetzten Materialien und dem Design anderer Mischpulte (zumeist Metall oder Kunststoffe) unterscheidet (vgl. Zähl 2019: o. S.). Nach Auskunft von Zähl wurde bei dem später hinzugefügten Bauteil bereits ein verfeinerter Prozess genutzt, um das Furnier ansprechender und langlebiger zu gestalten. Alan van Keeken.
Abb. 2: Durch eine Glasfront sind Platinen mit Leuchtdioden zu erkennen, welche die Überwachung der Lautstärkepegel der einzelnen Kanäle ermöglichen. Unter der Meter-Bridge befindet sich das Steckfeld, auf dem sich in zwei übereinander angeordneten Reihen Audioanschlüsse befinden, die durch darüber angebrachte weiße Etiketten jeweils in Gruppen von zwei bis acht Eingänge eingeteilt sind. Alan van Keeken.
Abb. 3: Eine weitere konstruktionstechnische Besonderheit besteht in der platzsparenden Zuweisung der Kanäle zu einer der 24 Spuren. Da im Tonstudio meist mehr Kanalstreifen (erst 32, später 56) weniger Spuren der Mehrspurmaschine (zunächst 16, später 24 bzw. 48) gegenüberstehen, müssen die Pultkanäle den Aufnahmespuren zugeordnet werden. Viele professionelle Mischpulte dieser Zeit, wie einige MCI-Konsolen, besaßen dazu aufwendige Lösungen. Am CS-V fand Zähl eine platzsparende Lösung: Es werden nur zwei Drehschalter mit je 12 Stellungen (gerade/ungerade) benötigt sowie ein zusätzlicher Schalter, der bestimmt, ob der Kanal zu einer geradzahligen oder ungeradzahligen Spur geleitet werden soll. Alan van Keeken.
Abb. 4: Liner-Notes des Albums Silberblick. rock'n'popmuseum.
Abb. 5: 1989 kam der schaltungstechnisch aktualisierte und vor allem aufgrund des Einsatzes für das Mastering um einige Funktionen reduzierte rechte Pultteil hinzu. Wie Tinner berichtet, erfolgte diese Erweiterung um weitere 24 Kanäle aufgrund der Anschaffung der zweiten 24-Spur-Maschine, die zum Mastering des Can-Albums Rite Time notwendig wurde (vgl. Tinner 2019: o. S.). Daher handelt es sich auch um reine Line-In-Kanäle, also solche die sich nur für die Hinterbandkontrolle zur Abmischung aufgenommener Spuren oder der »Direct-Injection« (vgl. Hodgson 2019: 46) direkt verbundener Instrumente eignen. rock'n'popmuseum.
Abb. 6: Um diese Vorhörsignale an die Musiker*innen im Raum zu verteilen, konstruierte Zähl Ende der 1980er-Jahre für das Can-Studio zusätzlich ein mobiles Abhörpult. Mario Brand.
Abb. 7: Allerdings wurde das CS-V anders als zu Cans Zeiten ins hintere Ende des Kinosaals gestellt Das mag als Konzession an die Erfordernisse kommerzieller Aufnahmen verstanden werden, in denen ein Mindestmaß an räumlicher Zuordnung gefordert wurde. rock'n'popmuseum.
Abb. 8: Blick vom CS-V in das CAN-Studio zu Beginn der 2000er-Jahre. Torsten Güttes.
Abb. 9: Als notwendig erwies sich dieser Einsatz vor allem, wenn über das CS-V mehrere Spuren gleichzeitig abgemischt werden sollen, da es sonst zu sogenannten Übersprechern (auch: bleed, spill) kommt, also einem Nachklang bspw. der Hi-Hat auf den daneben aufgenommenen Gesangskanal (vgl. Watson 2015: 68). rock'n'popmuseum.
Abb. 10: Auch bei der Aufnahme mit der Band Black Fööös in großer Besetzung ist eine ähnliche Anordnung zu erkennen. CAN-Studio Konvolut. rock'n'popmuseum.
Abb. 11: Auf Polaroid-Fotos, die höchstwahrscheinlich bei der Aufnahme eines Solo-Albums von Stephan Remmler entstanden, sind mehrere Sänger*innen zu erkennen, die mit dem Kopfhörerpult verbunden sind und gemeinsam in ein Mikrophon singen. CAN-Studio Konvolut. rock'n'popmuseum.
Abb. 12: Ein Beleg für eine fast ›bürokratische‹ Einbeziehung der Technik abweichend vom experimentellen Ansatz der Band Can: Die Belegungspläne Im Kopf des ›Formulars‹ finden sich Felder für den Songtitel, die/den Künstler*in, die/den Produzent*in, für die Start- und Stop-Zeit auf dem Tonband. Für einzelne Instrumente sind zwei Spuren reserviert, auch finden sich Spuren, die nur für bestimmte Zeitabschnitte genutzt werden. Dass zeigt, dass auch im Can-Studio ein Großteil der Arbeiten nicht aus kreativen Entscheidungen, sondern in »mundane technical work« (Bates 2020: 134) bestand: im Warten, Verwalten und Zuweisen. Alan van Keeken.
Abb. 13: Mit der aufkommenden Digitalisierung erwuchs dem Pult als zentraler Schaltungseinheit jedoch auch studiointerne ›Konkurrenz‹, so in Form einer »separate[n] Produktionsunit« (vgl. Nieswandt 2021: o. S.), die nicht zuletzt wegen der langen Zusammenarbeit mit der House-Band Whirlpool Productions die gestiegene Bedeutung des Einsatzes von MIDI-Keyboard, Samplern und der am Computer, also »in the box« (vgl. ebd.: o. S.) reflektierte. Dies führte auch dazu, dass viele Schritte zunächst auf dem Computer oder dem von der Band intensiv genutzten Samplern, vor allem dem E6400 Ultra der Firma EMU, realisiert wurden (vgl. Nieswandt 2021: o. S.). rock'n'popmuseum.
Abb. 14: Die möglichst originalgetreue Aufstellung des CS-V und des CAN-Studio im zweiten Stockwerk des rock'n'popmuseum. rock'n'popmuseum.