Dr. Böhm DnT/C (1972)

Foto: Mario Brand

Heimeliges Bastelvergnügen im Rhythmus der alten BRD 

Ein Instrument, dass ab Ende der 1950er-Jahre in vielen deutschen Wohn- und Musizierzimmern erklang, scheint nicht nur vergessen, sondern geradezu abgeschoben: Die Heimorgel. Wenn es sich nicht gerade um ein Modell der Marke Hammond handelt, werden sie heute oft für wenig Geld feilgeboten. Früher kosteten sie so viel wie ein Kleinwagen und galten als Statussymbol. Den virtuosen Darbietungen weniger Stars stand die große Masse Amateurmusiker*innen gegenüber, die Orgelklassen besuchten, auf ihr dilettierten oder als Alleinunterhalterinnen aufspielten. Zur Hilfe kam ihnen dabei Begleitautomatiken und aufwendige Klangeffekte. In Westdeutschland fand ein Unternehmer aus Minden eine Strategie, auch vom hohen Preis abgeschreckte Käufer*innen zu überzeugen: Die nach ihm benannten Dr. Böhm-Orgeln mussten selbst zusammengebaut werden.

Das Dossier ist in drei Abschnitte geteilt. Sie können es mithilfe der Buttons entweder chronologisch oder thematisch lesen. Zwei Infoboxen zum entstehenden Heimorgelmarkt und Vorführplatten bieten zusätzliche Hintergrundinformationen.

Ein spielbares musikmöbel – Beschreibung und funktion

Reinhold Landgraeber kaufte den Bausatz am 16. August 1972 in einer Dr. Böhm-Filiale in Düsseldorf für insgesamt 4186,27 DM. Später baute er die Orgel selber auf. Danach ging sie in den Besitz seines Sohnes über, der sie bei Besuchen bei seinem Vater hauptsächlich spielte. Die Heimorgel wurde 2019 im Rahmen des Projektes »Musikobjekte der populären Kultur« dem rock'n'popmuseum Gronau gespendet. Der Modellname »DnT/C« setzt sich aus drei Teilen zusammen. »D« bezeichnet schlicht eine fortlaufende Nummer neuer Modellvariationen, »nT« steht für neuartige Transistoren (vgl. Voigt 1987: 325) und das »C« bezieht sich in diesem Fall auf die kompakte Ausführung, wobei das englische compact abgekürzt wird. Landgraeber hat die Orgel zusammen mit einer umfangreichen Notensammlung, sowie Aufbauunterlagen und die originale Sitzbank »Nussbaum« in Standardausführung gespendet.

Das Gehäuse der DnT/C ist aus Sperrholz gefertigt, das mit Nussbaumfurnier verkleidet ist. Im aufgeklappten Zustand lässt sich auf der Ablage ein dort angebrachter Notenständer aufstellen. Durch eine mehrgliedrige Abdeckung, die im Spielmodus auf der Rückseite abgelegt wird, kann der zentrale Interfacebereich abgeschlossen werden. Das Instrument besitzt Lautsprecher, die auf der Höhe der Knie an der Vorderseite des unteren Gehäuseteils angebracht sind. Die Rückseite besteht aus einer Spannplatte, die das technische Innenleben schützt. Dies legt nahe, dass die Orgel nicht als freistehendes Instrument gedacht war, sondern an die Wand geschoben werden sollte.

Abb. 1: ​Der Spieltisch besteht aus übereinanderliegenden, in Form von Stufen angeordneten Bereichen: Zwei Manualen zu je 61 Tasten, und darüber angeordneten drei Reihen Kipp- oder Wippenschalter aus weißem Plastik. Unter diesen befinden sich jeweils zusätzliche Reihen mit kleinen, weißen Druckknöpfen, die bei Betätigung einrasten. Im Gegensatz zu vielen anderen Modellen liegen Ober- und Untermanual bei der DnT/C direkt übereinander und nicht leicht versetzt. Dies führt zu einer insgesamt geringeren Breite gegenüber Orgeln vergleichbaren Funktions- und Tastenumfangs.
Foto: Mario Brand

Durch die weißen, nebeneinander angeordneten Kippschalter können die Register von Ober- und Untermanual, wie auch die »Freie Kombination« hinzu und wieder ausgeschaltet werden. Deren Beschriftungen verweisen vor allem auf die klassischen Fußlagen der Pfeifenorgel wie 8' 4' oder 16' und auf Instrumentalklangfarben wie Zimbel, Schalmei, Principal oder Piccoloflöte (vgl. Engel 1982: 86 f.).

Einzelne Manuale und auch Module wie der Böhmat können durch sie in ihrer Lautstärke individuell eingestellt werden. An Effekten stehen rechts unten ein Regler für ein auf das Obermanual wirkendes Tremolo und links Vibrato und Hall zur Verfügung, welche auf den gesamten Orgelklang wirken.

Rechts unten am Spieltisch befinden sich weitere Druckknopfleisten, in denen die verschiedenen Modi der Rhythmusmaschine, wie »Cha-Cha«, »Samba« oder »Beat« eingestellt werden können. Links auf gleicher Höhe befinden sich die Einstellungen der Begleitautomatik, des Böhmat wo die Art der Bassfigur bzw. der getriggerten Akkorde gewählt werden kann.

Das Interface erschöpft sich nicht im unmittelbar zugänglichen Spieltisch. Zunächst fällt das Böhmat-Modul auf. Es befindet sich eingeschoben links unter dem Spieltisch und besteht aus einer Klaviatur in einem schwarzen, hölzernen Einschub, der nach den Erfordernissen der Spielweise hervorgezogen oder eingefahren werden kann. Der »Böhmat« besteht aus 14 Tasten, zwölf innenliegenden in schwarz-weiß und zwei außenliegen in Grau. Unter dem Spieltisch befindet sich zudem ein Knieschweller, ein an einer Aufhängung befestigter Haken aus Metall, der es ermöglicht, bestimmte Effektparameter freihändig mit der seitlichen Bewegung des Knies bzw. des Oberschenkels zu steuern. Zu seinen Füßen stehen der Spieler*in wiederum 25 Stummelpedale zur Verfügung. Im unteren Gehäuseteil ist rechts unten ein Fußtaster aus Metall mit einer gummierten, rutschfesten Verkleidung eingelassen, der die Möglichkeit bietet, die Lautstärke des gesamten Instrumentes zu regulieren. Er ist direkt mit dem Klangformungsapparat verbunden und wird in der Anleitung von Dr. Böhm ›Fußschweller‹ genannt (vgl. Böhm 1976b: 27).

Die Funktionalität der DnT/C Landgraebers ist minimal eingeschränkt. Einige Effekte sprechen nicht mehr an und bei Betätigung erklingen beim Fußpedal und einigen Registern ein deutlich hörbares Rauschen. Der »Böhmat« sitzt nur noch locker in zwei Führungen aus Holz. Durch Umzug und Transport besitzt das Gehäuse leichte Beschädigungen, vor allem an den Kanten.

Funktionsweise

In den Instrumenten der nT-Bauart wirken zwei Prinzipien der Tonformung, das subtraktive und das additive Verfahren. Das subtraktive Verfahren meint die Formung der einzelnen Klänge durch die mehrstufige Filterung (vgl. Böhm 1976b: 56 f.). Erklingen nun die einzelnen Register zusammen, verändert sich der Gesamtcharakter des Klangs, was dem additiven Verfahren entspricht. Die Klangsteuerung erfolgt bei der DnT/C über das Ein- und Ausschalten der Registertasten. Das weicht von der Anlage der Hammond-Orgel ab, die durch Zugriegel die Hinzuschaltung einzelner Register über eine zehnstufige Skala zulässt (vgl. Lenhoff/Robertson 2019: 85 f.). Böhm begründet dies damit, dass es prinzipiell ausreiche, wenn der Hersteller »die Lautstärken der einzelnen Register nach musikalischen Gesichtspunkten von vornherein [...] optimal festleg[t]« (Böhm 1976b: 71).

Viele der Prinzipien der Klangordnung und der Bedienung lehnen sich an den modularen Aufbau der klassischen Pfeifenorgel an (vgl. Engel 1982: 97). Vor allem die Klangformung durch Register und die Benennung der Fußlagen (vgl. Wuschek 1980: 26) fällt hier als Parallele auf (vgl. Enders 1997: 88). Das Grundsignal der 12 Muttergeneratoren der DnT/C besteht aus einer Sägezahnwelle. Laut Böhm eignet sich diese besonders da sie »sämtliche Obertöne« (Böhm 1976b: 21) enthält und durch Filter, Hüllkurvengeneratoren und andere Modulationen sehr gut weitere Wellenformen gewonnen werden können (vgl. ebd.: 21).

Dr. Böhm-Orgeln arbeiten im Dauertonverfahren: Dabei liegen nach Einschaltung des Instruments alle Signale an Sammelschienen an. Erst durch das Herunterdrücken einer Taste und die Aktivierung der jeweiligen Register werden sie über die Tastenkontakte an den Ausgang des Instruments geleitet (vgl. Enders 1997: 88) und in hörbare Klänge umgewandelt. Dieses Dauertonverfahren führt zu einem unvermittelten Toneinsatz (vgl. Rieländer 1975: 16).

In der DnT/C von Reinhold Landgraeber findet sich ein (Feder-)Halleffekt, der an der Gesamtsumme der Signale bzw. allen Verstärkern anliegt (vgl. ebd.: 77 ff.) und von Böhm zu den Grundausstattungen einer Orgel gezählt wird. Er gilt als einer der Standardeffekte von Heimorgeln.

Elektronisches Schlagzeug und »Böhmat«

Die in Landgraebers DnT/C enthaltenen Spielunterstützungen werden von der Firma als »Elektronisches Schlagzeug, System Dr. Böhm« bezeichnet. Dieses besteht aus der Halb- und Vollautomatik zur Erzeugung eines elektronischen Rhythmus, sowie dem Böhmat zur Erzeugung einer Bass- und Akkordbegleitung. Dieser wurde bereits 1969 in mehreren Ländern als Patent angemeldet (vgl. Böhm 1976a: 1 ff.) und 1971 auf den Markt gebracht.

Das automatische Schlagzeug bietet die Möglichkeit, vorprogrammierte Rhythmen unter Bezeichnungen wie »Slow Rock« oder »Mambo« oder auch den »Böhm-Sound« zuzuschalten, welche die Instrumente selbsttätig durch fest eingebaute Impulsketten ansteuert und – einmal aktiviert – weiterläuft. Der Böhmat ermöglicht es, verschiedene Arten der melodischen Begleitung zuzuschalten. Zunächst wird per Knopfdruck eine Art der Begleitung ausgewählt (die teilweise untereinander kombiniert werden können) Danach muss der/die Spielende seinen Finger auf eine der 12 Tasten (für die zwölf Töne der chromatischen Tonleiter) ruhen lassen, sodass die Begleitung erklingt. Wurde ein harmonischer Begleitmodus gewählt, ist die Grundeinstellung Dur. Die zwei außenliegenden, grauen Tasten ermöglichen die Umstellung auf Moll bzw. einen verminderten Akkord. Dafür müssen aber Grundton und Zusatztaste gleichzeitig gedrückt werden.

infobox entstehender heimorgelmarkt

Bis nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die wenigsten der frühen elektronischen Musikinstrumente kommerzielle Erfolge verbuchen (vgl. Harenberg/Weissberg 2010: 91). Als ein Grund wird vermutet, dass die Anschlussfähigkeit an etablierte Instrumentenkulturen fehlte (vgl. Weium 2016: 68 f.). Eine der Ausnahmen bildete das Urmodell der Heimorgel: die Instrumente der Firma Hammond. Der Erfinder Laurends Hammond orientierte sich an der Pfeifenorgel (Lenhoff/Robertson 2019: 65 ff.). Sein Ziel war es, Kirchen, die kein Geld für den Kauf herkömmlicher Pfeifenorgeln besaßen, eine günstige Alternative zu bieten. Schnell wurden auch und vor allem private Haushalte als Absatzmarkt entdeckt.

Einer weiten Verbreitung in vielen Haushalten standen zunächst die großen Lautsprecher im Weg, die viel Platz einnahmen (vgl. Vail 2002: 60). 1948 bot die Firma erstmals eine Variante an, in welcher diese mit eingebaut waren, Hammond nannte diese Konstruktionsweise »self-contained« (vgl. ebd.). Wolfgang Voigt bezeichnet diesen Typ als Spinettorgel: »In der Regel handelt es sich hierbei um ein Instrument im Holzgehäuse mit Lautsprechern, zwei versetzen Manualen mit je 44 Tasten, einem 13tönigen Stummelpedal und einem Fußschweller zur Lautstärkeregelung.« (Voigt 1987: 324). Auch führte die Firma mit der Chords Organ 1950 ein Instrument ein, welches technische Vereinfachungen mit der neuen Bauweise verband; Durch Knopfdruck konnten Akkorde gespielt werden (vgl. Lenhoff/Robertson 2019: 56).

Hammond reagierte mit solchen Modellen auf die größer werdende Konkurrenz, die angesichts des zunehmenden Erfolgs elektronischer Instrumente für den Heimgebrauch bereits zuvor interne Lautsprecher und vereinfachende Bedienung für elektronische Orgeln angeboten hatte (vgl. Vail 2002: 61). US-amerikanische Hersteller wie Thomas Organ, Lowrey Organs, Wurlitzer und Gulbransen leisteten Pionierarbeit bei der Einführung von Begleitautomatiken und schließlich auch der Verwendung der ab 1947 entwickelten Transistoren, die bereits Ende der 1950er-Jahre ihren Weg in die Heimorgeln fanden und den Weg für massenproduzierte, vor allem günstige Instrumente schufen (vgl. Anonym 2006: o. S.).

In Westdeutschland verbreitete sich die vollelektrische Orgel ab den 1950er-Jahren. In Kirchen kam das Instrument – trotz Kritik von Kirchenoberen – vor allem aus Platz- und Kostengründen (vgl. Weium 2016: 73 f.) zum Einsatz. Bis Anfang der 1970er-Jahres gab es in Westdeutschland über 1500 elektronische Kirchenorgeln (vgl. Anonym 1972: 78). Bekanntheit erlangte sie im Unterhaltungsbereich vor allem durch berühmte Instrumentalist*innen, die auch in (West-)Deutschland eine Schlüsselrolle bei der Bewerbung einnahmen. Wolfgang Voigt schreibt, dass bereits 1952 erste elektronische Kleinorgeln unter dem Namen Harmonetta von auf Klavierbau spezialisierten Firma Lipp und Söhne auf den Markt gebracht wurden (vgl. Voigt 1987: 324). Gegen Ende der 1950er-Jahre wurde die Heimorgel, wie sie auch bald von westdeutschen Firmen, vor allem der Matth. Hohner AG in großen Stückzahlen produziert wurde, zu einem beliebten Instrument und Einrichtungsgegenstand. Gegen Mitte der 1980er-Jahre machte sie unter den elektronischen Musikinstrumenten sogar den größten Umsatz (vgl. Anonym 1984: 71). Viele Menschen strömten in die von Herstellern und Musikschulen angebotenen Orgelklassen; die Einspielungen von Klaus Wunderlich und anderen Virtuosen an dem Instrument verkauften sich millionenfach.

Die Firma Dr. Böhm wurde nach ihrem 1928 geborenen Gründer, Rainer Böhm benannt, der bereits als Jugendlicher erste Prototypen elektrischer Instrumente konstruierte. Er arbeitete zunächst in einem Rundfunkgeschäft in Hagen und finanzierte sich sein Studium der Physik durch den Verkauf selbstgebauter Radios (vgl. Riepe 2005: 59). Bereits in den frühen 1950er-Jahren entwickelte er zentrale funktionale Elemente der späteren Orgeln. Eine neue Dynamik erhielt Böhms Unternehmen, als er Mitte der 1950er-Jahre für die Funkschau eine Artikelserie veröffentlichte, die unter dem Titel Elektronische Orgeln und ihr Selbstbau in verschiedenen Auflagen erschien. Darin schildert er die Grundprinzipien der Tonerzeugung und den Aufbau der verschiedenen Funktionsmodule. In der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre ermutigte das gestiegene Interesse vieler privater Nutzer*innen Böhm, die gleichnamige Firma zu gründen und komplette Bausätze zu verkaufen.

Das als ›Ein-Mann-Unternehmen‹ fungierende Geschäft wurde vom Nebenverdienst zum Haupterwerb des zu dieser Zeit als Apotheker arbeitenden Böhm. Die Tongeneratoren der ersten Modelle basierten noch auf Röhren- oder Glimmlampen (vgl. Koch 2006: 68). Anfang der 1960er-Jahre stellte er auf die nun auch in der Unterhaltungselektronik und dem elektronischen Instrumentenbau verbreitete Transistortechnik um (vgl. Riepe 2005: 59). Später beschäftigte die Firma bereits mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Bereits zu ihrer kommerziellen Hochzeit Mitte der 1970er-Jahre bestand das Sortiment der Dr. Böhm GmbH nicht mehr nur aus den Heimorgelbausätzen und den zusätzlich zu erwerbenden Modulen (Effekten, Registern, Tongeneratoren usw.) in verschiedenen Preisklassen, auch wurden andere Orgeltypen, Lautsprechersysteme, Noten und viele Bauteile verkauft. Sie ermöglichten es, auch ältere Modelle Stück für Stück nachzurüsten, denn viele Module waren bis zu einem gewissen Grad rückwärtig kompatibel.

Von Anfang an waren die Orgeln auf den Aufbau durch die Kund*innen ausgelegt. Außerdem ermutigte das Unternehmen in seinen Prospekten den gewerblichen oder nebenberuflichen Aufbau zum späteren Weiterverkauf: »Der Bau der Dr. Böhm-Orgeln wird mit viel Erfolg auch gewerblich durchgeführt« (Dr. Böhm GmbH 1972b: 2). Der in der Grundausstattung niedrigere Preis, der etwa »ein Viertel bis ein Drittel vergleichbarer Fertigmodelle« betragen konnte (vgl. Koch 2006: 68) war eins der Hauptargumente für den Selbstbau. Der Hersteller warb mit einer durch dieses Angebot möglichen hohen Qualität: Die Modelle wurden als »Die Orgel mit den bestechenden Vorzügen« angepriesen. Dazu muss einschränkend hinzugefügt werden, dass das Angebot immer neuer Ergänzungen durchaus dazu führen konnte, dass eine Selbstbauorgel am Ende nicht nur ein einzigartig modifiziertes Stück, sondern letztlich teurer als ein Produkt ›von der Stange‹ werden konnte.

Die Firma Dr. Böhm gehörte in den 1970er-Jahren zu den erfolgreichsten Herstellern elektronischer Orgeln. Dies lässt sich nicht nur an der großen Zahl der Mitarbeiter*innen, dem neu gebauten Hochhauskomplex und den vielen Niederlassungen belegen, die für diese Zeit nachweisbar sind. Im Gegensatz zu den USA, wo die Firma Heathkit zusammen mit Thomas Organs auch Bausätze anbot, konnte sich der Vertrieb der Bausätze in Westdeutschland nicht zuletzt dank Dr. Böhm als Alternative zu ›Fertigorgeln‹ durchsetzen. Mit der Firma Wersi trat 1969 ein konkurrierendes Unternehmen auf den Plan, welche das Konzept erfolgreich kopierte.

Werbung und user-design

Die Werbematerialien der Firma Dr. Böhm bestanden vor allem aus den in den 1970er-Jahren quartalsmäßig erscheinenden Prospekten. Die reich bebilderten Hefte geben Einblick in die Art und Weise, wie sich die Firma Bau, Inszenierung und Nutzung der Heimorgel durch die Kund*innen vorstellte. Die Firma Dr. Böhm zielte mit ihren Produkten auf einen weiten Nutzer*innenkreis. Er reichte von Kirchenmusiker*innen, Laien und Alleinunterhalter*innen über Technikinteressierte bis hin zu Kund*innen, die Status und Prestige mit einem solchen Instrument verbanden, aber deren finanzielle Mittel für eine Fertigorgel nicht ausreichten.

Zu jedem Bausatz findet sich eine Anleitung, die für den technischen Laien die Montage ermöglichen sollte; »[L]aiensicher« wurde der Aufbau jedoch erst mit den Ende den 1960er-Jahren eingeführten Modellreihen, da hier durch die Transistortechnik im Gerät selbst bei falscher Montage keine lebensgefährlichen Ströme mehr flossen (vgl. Koch 2006: 68). Der Aufbau wurde zusätzlich ab den 1970ern von Böhm durch eine patentierte Art der Schnellverkabelung erleichtert (vgl. Anonym 1970: 1 ff.). Damit konnten die Schritte der Verlegung der Verlötung zeitsparend voneinander getrennt vorgenommen werden (vgl. Böhm 1976b: 126).

Abb. 3: ​Foto: Partyszene aus dem Böhmkatalog, Frühjahr 1974

Obgleich in den Prospekten der 1970er-Jahre zuweilen auch im Freien, im Partykeller oder in kirchenähnlichen Räumen musiziert wird, so finden sich vor allem Darstellungen von Wohnzimmern, die verschiedene Wohnstile abzudecken versuchen. Abgebildet sind sowohl traditionelle wie auch moderne Arrangements mit hellen Pastelltönen, weißen Wandschränken und Hi-Fi-Anlagen. Während in Ersteren das kontemplative, ernste Spiel im Vordergrund steht und die Orgel an die Wand gerückt ist, sind im zweiten ausgelassene Szenen zu beobachten: Die Orgel steht im Raum, junge Menschen sind um den Spielenden im Tanz gruppiert. Allerdings bewegen sich diese Darstellungen, sowohl in Bezug auf das Mobiliar wie auch die Wohnsituation oder die Mode nie außerhalb des gutbürgerlich akzeptierten Bereiches des Darstellbaren: Die damals bereits bekannten alternativen Lebens- und Wohnwelten, wie sie in Zeitschriften wie Twen verbreitet wurden (vgl. Miggelbrink 2016: 529), sind trotz gelegentlicher ›Beat‹-Poster nicht anzutreffen.

Diese Situierung im häuslichen Bereich wird nicht nur werbetechnisch in den Vordergrund gestellt, sie schlägt sich auch in der Auswahl an verfügbaren Sorten nieder. Die auch bei der DnT/C gewählte helle Nussholz, das in den meisten Variationen als Echtholzfurnier aufgetragen wurde, war als Grundausstattung gedacht. Wie sehr die elektronischen Orgeln als Musikmöbel konzipiert waren, die sich in die Wohnsituation einpassen sollten, zeigt eine Ausführung im Frühjahrskatalog von 1972: Dort wird von einer Variation berichtet, sie sei »[a]ls Sonderausführung […] auch mit einem hellen, pigmentierten Esche-Gehäuse lieferbar, das besonders für […] Wohnungen mit sehr hellen Möbeln gedacht ist« (Dr. Böhm GmbH 1972a: 29). Wie Leonie Häsler schreibt, fungierte Holz schon seit den Anfängen der Elektrisierung als ein wichtiger Werkstoff, um (Musik)Technologien Akzeptanz in traditionellen Milieus angedeihen zu lassen:

Auffällig ist, dass für die Gestaltung von Musikgeräten — Grammophon, Radio oder Stereoanlage […] häufig Holz verwendet wird, obwohl diesem Material nicht unbedingt eine technische Funktion zukommt. Holz ist ein Werkstoff, der in der Inneneinrichtung überwiegend für Möbel verwendet wird. Mit diesem wird also mutmaßlich versucht, einen technischen Gegenstand als Einrichtungsobjekt zu inszenieren. (Vgl. Häsler 2017: 72)

Eine eindeutige Präferenz für weibliche oder männliche Nutzer*innen lässt sich nicht identifizieren. Von beiden wird sowohl das kontemplative Spiel wie auch die Profession des Alleinunterhalters ausgeübt. Damit bricht Dr. Böhm mit der langen Traditionslinie der starken Verbindung von Männlichkeit und (Pfeifen)Orgel. Allerdings erfolgt dies meist im Rahmen der Darstellung der weißen, mittelständigen Kernfamilie, die um den spielenden Vater angeordnet ist.

Die Firma bewarb den Böhmat zu Beginn der 1970er-Jahre neue Modul explizit im Sinne einer Spielunterstützung, die nicht nur eine ganze Band ersetzen, sondern auch ein niedrigschwelliger Einstieg in das Orgelspiel erlauben sollte. Die Begleitautomatik sollte »Spieler [...]« je nach Können gleichzeitig »entlasten und beflügeln« (Dr. Böhm GmbH 1974: 73). Versinnbildlicht wurde dies durch eine durchgestrichene Partitur.

Die Bewerbung der DnT/C unterscheidet sich nicht wesentlich von denen anderer Orgeln in den Prospekten von Dr. Böhm. Sie wurde als vielseitiges Instrument geführt, dass sich »hervorragend für ernste und für leichte Musik« eigne (Böhm 1976b: 152). Die Modellreihe D wurde bereits 1969 eingeführt (vgl. Siebert 2020: o. S.). Über die Jahre wurde das Modell mehrfach überarbeitet, unter anderem wurde das Gehäuse in den Worten des Prospektes »formschöner« (Dr. Böhm GmbH 1972a: 34) gestaltet auch steigerten sich die verfügbaren Features im Bereich des Klangformungsapparates. Für die »ernste Musik« wurde später die Aufwertung des Stummel- durch einen Kirchenorgelpedalsatz angeboten. Das konstruktionstechnisch Besondere der DnT/C war ihre Vermarktung als kompaktere und daher platzsparende Version der Dn/T, da die zwei Manuale nicht wie üblich versetzt, sondern direkt übereinander angeordnet waren, sodass bei fast gleicher Funktionalität (nur die Stummelpedale waren auf 25 adressierbare Töne reduziert) 25 cm eingespart werden konnten.

Reinhold Landgraeber beschäftigte sich mit Pausen über fünf Jahre mit der Fertigstellung. Sein Aufbau bewegte sich eng an der intendierten Gebrauchsweise, wie sie die Firma Dr. Böhm vorgesehen hatte, auch wenn die Orgel später eher von seinem Sohn gespielt wurde. Vor allem seine Freude am Aufbau spricht für diese Einordnung.

Landgraeber selbst gibt an, er habe »immer schon Musik mit elektronischen Orgeln gemocht« (Landgraeber 2020: o. S.). Nach Feierabend nutzen er und ein Bekannter, der in einem Plattenladen arbeitete, die hochqualitative Anlage, um die Aufnahmen von Interpreten wie Ady Zehnpfennig, Franz Lambert oder Klaus Wunderlich zu lauschen. Er beschreibt, wie sehr dieser Klang nachhaltige Wirkung auf ihn und seinen Bekannten ausübte. Dies motivierte beide schließlich, das Orgelspiel zu erlernen bzw. als gemeinsames Hobby aufzunehmen. Während der Bekannte direkt für ca. 8000 DM eine Fertigorgel von Yamaha anschaffte, entschied sich Landgraeber für den Bausatz von Dr. Böhm. Die kompaktere DnT/C wählte Landgraeber nicht nur aufgrund des Preises, sondern aufgrund des kleinen Zimmers seines Einfamilienhauses. Die größeren Orgeln der CnT-Reihe wären für den engen Raum zu sperrig gewesen

Abb. 4: ​Die ursprüngliche Entscheidung gegen den Kauf einer Fertigorgel begründete Landgraeber mit den damit verbundenen Kosten. Als Ausgleich habe er aber darauf bestanden, alle möglichen Module, die 1972 für das Modell verfügbar gewesen seien, zu erwerben.
Foto: Rechnung Reinhold Landgraebers (1972)

Den Aufbau beschreibt Landgraeber als aufwendig. Allein die Konstruktion des Böhmats habe drei Wochen in Anspruch genommen. Allerdings wäre der Druck hoch gewesen, die Anleitung genaustens zu befolgen, da das Durchtesten im Sinne eines tatsächlich erklingenden Tons erst zum Schluss möglich sei. Das einzige Testverfahren, was vor dem fertigen Grundaufbau möglich war, beschränkte sich auf die Durchmessung einzelner Verbindungen mithilfe eines Multimeters. Dieses Vorgehen umschreibt Landgraeber bildlich: »Man baut ins Dunkle« (Landgraeber 2020: o. S.). Das »starre« Halten an die Anleitung spitzte sich zum Ende der Aufbauphase zu. Landgraeber erinnerte sich, dass auch die Tasten für die Manuale noch aus einzelnen Bestandteilen zusammengeklebt werden mussten; generell sei wenig ›vormontiert‹ geliefert worden.

Landgraeber betont, dass das Schnellötsystem von Böhm ihm bei der Arbeit geholfen habe. Mit kleinen Füßchen an den Lötstellen auf den Platinen wäre es möglich gewesen, gleich mehrere Kontakte in kurzer Folge nacheinander fertig zu stellen. Dazu notwendig war nur eine eigene Technik, die Platine und die Lötstellen eigenhändig so zu platzieren, dass das Löten ›in Reihe‹ möglich wurde. Während der aufwendigen Konstruktion entwickelte Landgraeber mit der Zeit eine gewisse Fertigkeit.

Der fertige Apparat fand zunächst in einem separaten kleinen Raum und später im Schlafzimmer Platz, wo sie sich zu den anderen Holzmöbeln fügte.

Zu der Orgel erwarb Landgraeber einige Orgelschulen und Notenalben, vor allem mit leichterer klassischer Musik, Weihnachtsliedern und einigen Schlagern und besonders prominent Wolfgang Schneiders »Schule für elektronische Orgeln« in mehreren Ausgaben. Nach einiger Zeit verlor Landgraeber aufgrund seines Berufes das Interesse am Erlernen des Instruments und hörte auf, die Orgelklasse zu besuchen. Der Autor Gerd Ebinger vermutet, dass die meisten »Orgelbauer« das Instrument nicht selber spielen (vgl. Ebinger 1985: 49). Wie Landgraeber darstellt, habe er die Arbeiten trotzdem beendet, da er ungern etwas unvollendet gelassen und diese Beschäftigung Freude bereitet habe.

Landgraebers Sohn, der die Musikschule besuchte und dort Blockflöte erlernte, nutzte die DnT/C später – dazu wurde die Markierung für das C auf dem Obermanual angebracht – zum Ausprobieren und zur Übung einfacher Weihnachtsstücke, die er auf einem Tonbandgerät aufnahm und verschenkte. Dabei kam der Böhmat zum Einsatz. Auf der Tastatur verwendete er – wie Landgraeber selbst – eine »Ein-Finger-Spieltechnik«, die er als »Adler-Such-und-Stoß-zu« umschreibt (vgl. Landgraeber 2020).

Zuletzt wurde die Orgel von seiner Enkelin genutzt. Landgraeber betonte mehrmals, dass es unter den vielen Klangfarben auch ein dem Klavier ähnliche Einstellung gegeben habe, welche ihr das Spiel ermöglichte, wenn sie zu Besuch war. Eine besondere Erfahrung in Bezug auf den Klang der Orgel bzw. des Böhmats teilte Landgraeber sowohl mit seinem Sohn als auch seiner Enkelin: Die von ihm so bezeichnete »Dampflok«. Er hatte durch Ausprobieren entdeckt, dass durch die gleichzeitige Betätigung zweier Tasten des Böhmats ein Überlagerungseffekt entstand, der dem Anfahren einer alten Eisenbahn glich, was er als bloßen Klangeffekt einsetzte.

infobox vorführplatte

Werbemittel und Botschaften für Musikinstrumente und andere Klangtechnologien unterscheiden sich kaum von denen für andere Produkte: Die Vorteile, das gute Preis-Leistungsverhältnis und die Ästhetik werden herausgestellt und über bildlich oder textlich ansprechende Anzeigen in Fach- und Musikpresse beworben: Die blumigen Texte der Prospekte von Dr. Böhm mögen hierfür mustergültig sein. Doch da, wo der Klang ein zentrales Verkaufsargument darstellt, verlassen und verließen sich Hersteller von Musiktechnologie schon früh auf ein weiteres Werbemittel: Die Demoaufnahme.

Diese Platten, CDs oder auf den Geräten vorinstallierten Demonstrationsprogramme bestehen oft aus der Vorführung verschiedener Einstellungen und verfügbaren Sounds eines Gerätes bzw. dem Einsatz in verschiedenen Musikgenres. Häufig wurden sie – wie im Fall der »Ein Klang, der sie verzaubern wird« (Dr. Böhm GmbH o. J.) durch eine Stimme – hier die von Dr. Böhm selbst - im meist sachlichen Ton erklärend begleitet. Die Werbeklänge der Geräte ertönten oft isoliert, damit unabhängig von einem Band- oder anderweitigem Ensemblekontext die isolierte Klangwirkung deutlich hervortreten konnte. Oft wird dies begleitet von der Versicherung, dass weder eine weitere Musiker*in noch der Toningenieur einem besonderen Effekt hinzugefügt habe, wie im Begleittext einer Demonstrationsplatte eines RMI-Synthesizers (Clark Ferguson, Mike Mandel, Carlo Curley 1974). Anderswo ist es gerade der Klang im Bandkontext, der überzeugen soll, so bei der Vorstellung der ersten Version von Simmons elektronischem Schlagzeug, einem Instrument, das besonders für den Live- und Studioeinsatz in populärer Musik konzipiert wurde (Anonym 1980).

Manche dieser Aufnahmen mauserten sich sogar zu kommerziellen Erfolgen. Ähnlich wie die »Böhmat Express«-Reihe, die von Dr. Böhm selbst produziert und vertrieben wurde, unterstützte auch die Firma Moog Ende der 1960er-Jahre ein Album, auf welchem ein Instrument – in diesem Fall das erste modulare Synthesizer-System - in einem künstlerischen Zusammenhang präsentiert wurde. Walter Carlos‘, später Wendy Carlos‘ virtuose Übertragung von Stücken von Johann Sebastian Bach in die Klangwelt des Synthesizers wurde unter dem Titel »Switched-on-Bach« (Bach 1968) zu einem millionenfach verkauftem Erfolg. Als eines der bekanntesten Intros eines Popsongs konnte der Bestandteile einer anderen Demoplatte Aufmerksamkeit auf sich ziehen: 1981 war eine Demo für das digitale Samplingsystem Synclavier II erschienen, die ebenfalls isolierte Aufnahmen voreingestellter Klänge enthielt, eingespielt durch den Sounddesigner Denny Jaeger. Ein Jahr später beeindruckten diese Michael Jackson so sehr, dass er sich gegen die Meinung seines Produktionsteams dafür einsetzte, diese als Intro der Single Beat it zu nutzen, später erhielt Jaeger dafür auch Erwähnung als Songwriter (Sorcinello 2016).

Je nach der mit dem Demomaterial intendierten Nutzung irritieren die Aufnahmen zuweilen aber auch– vor allem im Lichte der tatsächlichen Nutzung in der späteren Musikpraxis. Ein auffälliges Beispiel hierfür ist die Vorführplatte, die für das Maestro-Fuzztone FZ-1 Werbung machte (Fuzz-Tones o. J.), eines der ersten Effekt-Pedale für die Verzerrung des Gitarrenklangs, wie sie die Rollings Stones oder Jimi Hendrix einsetzten (Hodgson 2019: 108 ff.). Das 1962 eingeführte Produkt wurde dort als ›jack of all traits‹ beworben, das den Sound von E-Gitarre und Bass allen möglichen Instrumenten (Cello, Sousaphone, Tuba) anverwandeln konnte. Für heutige Ohren allerdings klingen die Imitationen wie jedoch die aus den 1960er-Jahren hinlänglich bekannten Klangfarben von E-Gitarren-Solos.

fazit

Die Heimorgel steht für den Siegeszug einer neuen Musiktechnologie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert. Durch die Bezeichnung Orgel und ihre Klangformung verwies sie auf das Vorbild der Pfeifenorgel und wurde das sakrale Universalinstrument zur weltlichen Unterhaltungselektronik und zu einem häuslichen Statusobjekt der ab den 1950er-Jahren expandierenden (westdeutschen) Konsumgesellschaft. Durch ihr hölzernes Gehäuse fügte sie sich zugleich ins bürgerliche Mobiliar der Nachkriegszeit.

Mit der hier vorgestellten DnT/C von Reinhold Landgraeber lassen sich die speziellen Charakteristika der Selbstbauorgeln der Firma Dr. Böhm als Sonderfall der Heimorgel erschließen. Aus heutiger Sicht verwunderlich ist die Tatsache, dass ein Hersteller, der sich auf einen aufwendigen Selbstbau stützte, zu einem der wichtigsten Hersteller elektrischer Orgeln in Westdeutschland werden konnte. Dies verdankt sich sicher zu Teilen dem damals weit verbreiteten Hobby des Elektronikbasteln und der unter Konsument*innen verbreiteten Technikaffinität. Zugleich kann davon ausgegangen werden, dass der Hype elektronischer Orgeln, der von den 1960er- bis in die 1980er-Jahre anhielt, viele dazu bewog, auf die Lockangebote der größeren Kostenersparnis gegenüber den »Fertigorgeln« einzugehen.

Spätestens ab Mitte der 1980er-Jahre verschwanden die Möbelversionen der Heimorgeln vom Markt für Musikinstrumente. Es übernahmen kompaktere und gleichzeitig mit mehr Funktionen ausgestattete Instrumente wie das Arranger-Keyboard. Heute ist der Markt für Instrumente in der Nachfolge der Heimorgeln zu einer kleinen Nische geworden, in der sich auch noch die einstigen Konkurrenten Wersi und Dr. Böhm – nun als Marke Böhm unter dem Dach der Keyswerk Musikelektronik GmbH – finden. Die Nutzer*innengemeinschaften und Fans verehren aber immer noch den ganz besonderen Klang und die Virtuosität von bekannten Spieler*innen wie Claudia Hirschfeld. Auch hat sich mit Keys ein vor allem auf diese Form der Orgeln konzentriertes Special-Interest Magazin erhalten.

DAS DOSSIER WURDE VERFASST VON ALAN VAN KEEKEN.

Quellen

Literatur:
Adelung, Wolfgang (Hg.) (1964). Das Elektrium. Beiträge zur Klärung der Frage Orgel - Orgelimitation. Berlin: Merseburger.
Anonym (1950). Elektrisch gesteuert. In: Spiegel. 29, S. 33–34.
Anonym (1972). Heilige Pfeifen. In: Der Spiegel, 1972, S. 76–79.
Anonym (1984). Schmelz auf dem Parkett. In: Der Spiegel, 12.03.1984, S. 71–72.
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Böhm, Rainer (1976b). Elektronische Orgeln und ihr Selbstbau: Die technischen und musikalischen Grundlagen zum Entwurf und Selbstbau elektronischer Orgeln hoher Klangqualität. München: Franzis Verlag.
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Interviews:
Landgraeber, Reinhold (2020). DnT/C Dr. Böhm-Orgel zum Selbstbau, 25.02.2020.

Patente:
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Böhm, Rainer (1976a). Elektronische Orgel. DE000001949313C3. 10.06.1976. Anonym (1970). Steuereinrichtung zur Betätigung eines automatischen Schlagzeuges. DE 2041598 C3. 26.08.1982.

Abbildungen

Abb. 1: ​Der Spieltisch besteht aus übereinanderliegenden, in Form von Stufen angeordneten Bereichen: Zwei Manualen zu je 61 Tasten, und darüber angeordneten drei Reihen Kipp- oder Wippenschalter aus weißem Plastik. Unter diesen befinden sich jeweils zusätzliche Reihen mit kleinen, weißen Druckknöpfen, die bei Betätigung einrasten. Im Gegensatz zu vielen anderen Modellen liegen Ober- und Untermanual bei der DnT/C direkt übereinander und nicht leicht versetzt. Dies führt zu einer insgesamt geringeren Breite gegenüber Orgeln vergleichbaren Funktions- und Tastenumfangs. Mario Brand.
Abb. 2 a-b: ​Ein wichtiges Werbemittel waren von der Firma produzierte Schallplatten. Diese dienten als Demos wie auch als Alben mit Unterhaltungsmusik, die gleichzeitig für neue Modelle Werbung machten und der Hörer*in durch die Aufführung der entsprechenden Einstellung erlaubten, die gehörten Registrierungen auf der eigenen Heimorgel zu rekreieren. Rückseite (Ausschnitt) der LP Böhmat Express 1 (undatiert).
Abb. 3: Partyszene aus dem Böhmkatalog, Frühjahr 1974.
Abb. 4: Die ursprüngliche Entscheidung gegen den Kauf einer Fertigorgel begründete Landgraeber mit den damit verbundenen Kosten Als Ausgleich habe er aber darauf bestanden, alle möglichen Module, die 1972 für das Modell verfügbar gewesen seien, zu erwerben. ​Rechnung Reinhold Landgraebers (1972).