Axel Hartmann
Designer

Foto: Axel Hartmann

IndustrieDesign Im Spezialgebiet »Synthesizer«

Zur Person

Geboren 1961 verlebt Axel Hartmann im Hunsrück eine behütete Kindheit. Früh schon beginnt er sich für Musik zu begeistern, lernt Klavier und beginnt in kleineren Bands zu spielen. Schon zu dieser Zeit begeistert er sich für alles, das Tasten hat und verschönert auch schon mal das ein oder andere Stück. Er studiert Industriedesign und steigt bei der damals noch kleinen Synthesizerschmiede Waldorf ein, für die er nicht nur die -mittlerweile legendären - ersten Produkte entwirft, sondern auch gleich die ganze Werbestrategie gestalten darf. Mitte der 1990er-Jahre macht er sich in Ravensburg mit einem Kollegen selbstständig. Die gemeinsame Firma Designbox erhält bald schon viele Aufträge vor allem aus dem Synthesizerbereich), denn es hat sich rumgesprochen, dass da einer sitzt, der sich auf das Design von Synthesizern und elektronischen Musikinstrumenten spezialisiert hat. Zu seinen Kunden gehörten schon Moog, Hohner und Arturia. Heute betreibt Hartmann sein eigenes Designbüro, Axel Hartmann Synthesizer Design.

Das Interview ist in drei Abschnitte geteilt. Sie können es mithilfe der Buttons entweder chronologisch oder thematisch lesen.

Ich glaub' meine Stärke ist tatsächlich, dass ich nicht überall gleich aussehe. Die Leute erkennen ›Oh, das hat der Axel designt‹, weil es aufgeräumt ist, weil's ne Ordung hat [...] keine Glanzpunkte, dass das irgendwie ne Ästhetik hat, die das so zusammenhält. [...] Aber ich bin nicht im Vordergrund. Im Vordergrund ist die Company. Ist immer der Kunde, ist immer dessen DNA.

Mit mendocino fing es an – musikalische anfänge und erste berührung mit musiktechnologie

Mit Mendocino fing es an

Axel Hartmann kommt schon früh in Kontakt mit Musik, singt Heintje-Lieder nach und erhält Klavierunterricht. Sein Großvater, ein selbstständiger Maler, tut alles, um die musikalischen Ambitionen des Jungen zu unterstützen, sorgt u. a. für die Anschaffung eines Klaviers und später auch weiterer Instrumente. Ein Lied, das Hartmann dabei besonders anfixt: Michael Holms Mendocino. Der Grund weist bereits in die Zukunft, denn darin zu hören ist ein besonderes Instrument, eine elektronische Orgel.

Ja. Das war so dieses Solo, was da gespielt wurde, so'n/ wenn ich das heute höre, klingt das/ ist das super kitschig, aber damals war das irgendwie neu und hat mich sehr, sehr fasziniert. Und ich wollte eigentlich von dem Tag an, wo ich das Lied gehört hab', wollte ich unbedingt Orgel spielen lernen. [...]

Nach dem Klavier wird das erste elektronische Instrument eine Farfisa E-Orgel, auf der sich Hartmann schnell zurechtfindet. Als er sich dann einer jugendlichen Rock-Formation anschließt muss allerdings Ersatz her. Das eingetauschte Modell, eime Heimorgel von Yamaha, kommt jedoch nicht an den Sound der Hammondorgel heran, den er bei Mendocino gehört hatte, zudem beschreibt er auch die anderen Funktionen und Klänge als »cheesy«:

Die klang schwach, nicht so eben dieses volle, dieses metallene, dieses hammondartige, das hat mir natürlich gefehlt. Aber was mich vielmehr gestört hat, war dieses Rhythmusgerät einschalten, diesen ›Dümm-Dumm-Dümm-Dumm‹. Bass dann mit'm linken Fuß dann irgendwie [macht Geräusche]. Sofort Kirmes, ja […]. Ja. Und so war im Prinzip das ganze Instrument ausgelegt. Das hatte halt n' Stummelpedal, du ersetzt den Bassspieler, dann hast du n' Schlagzeug, der ersetzt den Schlagzeugspieler, mit der linken Hand ersetzt du die Rhythmusgruppe, Gitarre irgendwie und mit der rechten Hand machst du da irgendwie noch Dudel drauf. Und das ist cheesy. Und das hat mich einfach nie angesprochen. […] Ich wollte eigentlich nur den Sound. 

Allerdings zeichnet sich in dieser Suche nach dem Sound schon ein Grundmotiv von Hartmanns Beziehung zu (elektronischen) Musikinstrumenten ab: Er scheint immer auf der Jagd nach einem neuen, interessanten Klang oder Gerät und muss sich in dem Zusammenhang auch gefallen lassen, von seiner Frau als »schlimmen Konsumisten« bezeichnet zu werden. Er gibt sich mit der Enttäuschung über den Sound der Yamaha nicht zufrieden und macht sich daran, den Hammondsound anders herzustellen. Nach langem ausprobieren und austauschen funktioniert eine Kombination aus Effektgerät und Leslie-Lautsprecher. Auch erfordern klangliche Zielvorstellungen – wie das Nachempfinden bestimmter Songs und Interpret*innen – neue Anschaffungen, wie ein Fender Rhodes. Diesen »Fight mit der Technik« beschreibt Hartmann als prägend:

[…] auch dieses immer wieder n' Schritt weiterkommen, das hat, das hat so ne Freude mir gemacht und hat mich auch so irgendwie bei der Stange gehalten. Dass das irgendwo, dass ich gemerkt habe, das ist so'n, so'n ganz zentraler Bestandteil in meinem Leben.

Auch der Designer bzw. Gestalter wird früh geweckt. Hartmann beschreibt, wie er bereits das stetig anwachsende Musikzimmer dekoriert und eigene Logos entwirft:

Und hab' den dann verschönert, so. Ich hab'das/ ich hab' immer die Dinge, die ich so an mir hatte, […] das hab' ich immer so'n Drang gehabt, das zu/ auf mich zu individualisieren, gell. […] Also wenn ich das jetzt so, das so zeige das/ ich sprech' mal grad vom Rennrad. Da gab's n' Hersteller, Mildenberger hießen die damals. Die hatten so ne spezielle Bremse und der Lenker, der war so umwickelt. Und dann so mit so nem Flockmaterial überflockt. Das hat sich so samtig angefühlt. Solche Details, die waren mir immer so wichtig, ja. Und ich hab' dann, um da nochmal zurückzukommen, eben diesen Hocker, den der Opa mir gemacht hat, den fing ich dann auch an zu verschönern und hab' da so'n Logo drauf gemalt. So n' weißen Kreis mit nem roten Punkt drin. Ganz akkurat. Und das hat mir [...] immer schon Freude bereitet, Sachen zu individualisieren.

Doch vor allem will Hartmann professioneller Musiker werden. Trotz intensiver Vorbereitung platzt der Traum eines Musikstudiums. Auch den Tipp der Beraterin vom Arbeitsamt, Industriedesign zu studieren, schlägt er zunächst zugunsten eines sicher scheinenden Jurastudiums aus. Doch bereits nach einem Jahr merkt er, dass das Studium nichts für ihn ist. Die nahe gelegene Schule für Gestaltung zieht ihn eher an, dort beginnt er Industriedesign zu studieren. Die Grundidee des Designs von Musikinstrumenten kommt ihm – so Hartmann im Interview – schon damals:

Allerdings entscheidet sich Hartmann, der eigentlich die ganze Zeit neben dem Studium in verschiedenen – teils sehr erfolgreichen – Bands spielt, gegen ein lange aber unsichere Tour mit der Band Maracaibo und für den Abschluss des Designstudiums.

Erste schritte bei waldorf

Hartmanns Diplomarbeit, der »Gambit« weist bereits in die (berufliche) Zukunft. Er entwirft eine futuristische »Workstation«, die sogar beim Fachmagazin Keyboards gefeatured wird. Die Recherchen dafür hat er beim Produzenten Pit Löw gemacht, bei dem er einige Wochen im Studio war und die Arbeitsabläufe studiert hatte:

[…] Workstation. Das war jan' unfassbarer Begriff damals, das fand man irgendwie cool. Das ist kein Keyboard oder Syhnthie, das ist ne Workstation. Da arbeitet man dran, ja. Die […] Recherche dazu, da hab' ich alles genutzt, was mir damals dann auch so offen gestanden hat. Gute Freundschaft mit dem Pit Löw gehabt, bin bei ihm täglich im Studio gewesen, ne und konnte ihn da interviewen, gucken wir er arbeitet und hab' das da mit einfließen lassen

Abb. 1: Detailaufnahme Microwave.
Foto: Mario Brand

Mit großem Selbstbewusstsein aus diesem ersten großen Entwurf bewirbt sich Hartmann bei den großen Namen des Business: »Fairlight […] Clavia […] Oberheim, Sequential Circuits, Roland, Korg«. Zunächst erhält er nur Absagen. Über einen Tipp kommt er in Kontakt mit Wolfgang Düren, der vor kurzem die Firma Waldorf in der gleichnamigen Gemeinde in Rheinlandpfalz gegründet hatte. Sie wollte auf Basis der Technologie der kurz vorher pleitegegangenen Firma von Wolfgang Palm, PPG, einen neuen Synthesizer auf den Markt bringen. Bei Waldorf wurde Hartmann eingestellt und erhielt die Freiheit sich »als Designer, Markenfetischist und Markenmacher komplett« auszuleben, wie er es beschreibt. Ihm wurde nicht nur das Design der Geräte, allen voran des Microwave sondern auch die Konzeption der Werbekampagne und der Firmenlogos und -farben überantwortet. Diese Zeit bezeichnet Hartmann rückblickend als sehr erfüllend. Es zeigte sich früh, welche speziellen Herausforderungen das Industriedesign auch im Bereich Synthesizer mit sich brachte:

Aber das ist auch n' Lernprozess, […] das hab' ich bei Walldorf am Anfang sehr stark lernen können, weil ich da so nah dran war. Das war alles auf einmal meine Aufgabe, ich musste die Hersteller finden für die Frontblenden, für den Kunststoff. Was war das ne Freude, mein erstes Kunststoff-Ding zu machen, weil das so teuer ist, auch so n' großes Risiko. Weil die Formkosten zu hoch sind. Vor allem für n' kleinen Hersteller, der muss da dann auf einmal zig tausend Euro für so ne Form bezahlen und wenn da irgendwas falsch ist oder so, ist das echt teuer. Da war ich so stolz drauf, als wir den Microwave-Knopf hier, den Roten. Das war eins der ersten Spritzgußteile, die ich designt hab' hier, das Ding, gell. Als der aus der Form gefallen ist, gell. Das hab' ich alles gezeichnet von Hand auf ne technische Zeichnung gemacht. Hier die Tiefe, der Radius, die Überwölbung hier und so. Das hab' ich damals alles selber am, am Reißbrett gemacht, ja. Als die Mauer gefallen ist. Ja. Nebendran lief's Fernsehen vom Mauerfall und ich stand am Zeichenbrett und hab' den Microwave-Knopf gezeichnet, ja (lachend).

Nach sechs Jahren bei Waldorf macht sich Hartmann dann zusammen mit seinem Kollegen Stephan Leitl selbstständig und gründet die Designbox, ein Unternehmen, was für 25 Jahre in dieser Form bestehen bleiben wird. Von 1996 bis 2006 erfüllt er sich dann – neben den Designaufträgen für die Designbox – den Traum in die professionelle Musik einzusteigen. Er spielt als Keyboarder für die erfolgreiche ABBA-Coverband Abbakadabra, die schon mal vor 50.000 Menschen auf dem Nürburgring auftritt.

Große auftraggeber und die »marke« Hartmann

Ein eigener Synthesizer und die Anfänge eines Netzwerks

Mitte der 2000er-Jahre wagt sich Hartmann an das Design eines eigenen Synthesizers mit der Marke Hartmann Music. Mit dem Neuron stellt er – die Softwarebasis stammte von Stephan Bernsee - einen der wenigen marktreifen Resynthese-Synthesizer vor, dem »heiligen Gral der Resynthese«, wie ihn Hartmann selber im Interview bezeichnet. Dieses teure, aber auch sehr außergewöhnliche Instrument arbeitet mit neuronalen Netzwerken und wirft die traditionellen Begriffe, Konzepte und Arbeitsweisen bisheriger Geräte über den Haufen. Einen seiner prominentesten Auftraggeber trifft Hartmann bei der Vorstellung des Neurons[1] auf der NAMM. Bob Moog. Nach einem kurzen Gespräch bemerkt Hartmann, dass Moogs aktuelles Modell einige Probleme aufweist und bietet seine Hilfe an:

Es sind viele große und kleine »Namen« mit denen Hartmann über die ganze Welt zusammenarbeitet. Dieser internationalen Kundschaft zuträglich war sicher der frühe Anschluss der Designbox ans Internet. Bereits seit Mitte der 1990er-Jahre habe die Firma - so Hartman - sich hier präsentiert. Ein besonderer Reiz dieser großen Anzahl verschiedener Auftraggeber ist für den Designer immer noch die höchst unterschiedlichen Anforderungen und Präferenzen, wenn es um bestimmte Aspekte von Interface, zu verwendendem Material oder dem generellen »Ton« der Entwürfe geht:

Das find' ich […] mit das Spannendste an meinem Beruf, das zu erleben und zu ergründen. Warum will ein Frederic [?] ein Gerät so haben? Warum ist das für ihn wichtig, dass das so ist? Und das geht/ ich glaub' das geht zurück bis in die Kindheit von den Leuten. Die haben ihre Erlebnisse gehabt, der hat Geige spielen gelernt, der ist in Paris aufgewachsen, der hat ne sehr stolze Mutter, keine Ahnung. Das ist da so drin. Deswegen muss das Produkt, was von ihm kommt, auch auf ne gewisse Art und Weise sprechen zu den Leuten. Und so hab' ich das auch bei den Japanern. Ich hab' ja für Roland ein paar Geräte machen dürfen. Da merkt man das auch irgendwie, […] in der Art und Weise, wie die ihre Produkte machen, mit ihren Netzwerken, dass das ein Großteil der Art und Weise/ der Herangehensweise in deren Erziehung liegt. In […] wie sie aufgewachsen sind, was sie erleben […] was richtig, was falsch ist, die Wertesysteme. […] Und das beobachte ich und genieße ich auch sehr. Und versuch' da auch zu lernen, mit meinem mit meinem Wissensschatz oder der Art und Weise wie ich Dinge auffasse, dass ich auch erlernt habe, hier in deutschen Schulen, eben strukturiert und pünktlich und zuverlässig und trotzdem n' Twist, irgendwas Innovatives so, gell. Das zu vereinen. Ich glaub' das ist auch vielleicht the magic, wenn man davon reden darf, von dieser Zusammenarbeit, die ich ja mit so ganz vielen Firmen haben darf, gell. Es ist erstaunlich, wenn ich jetzt in mein Produktportfolio guck', was ich bis jetzt alles gemacht habe, aber was ich auch im Moment tue.

Abb. 2: Render von Novation Impulse.
Foto: Axel Hartmann Design

Allerdings stellt sich die Frage, ob es bei alledem eine »Marke« Hartmann gibt, etwas, woran seine Designs immer erkannt werden können? Der Designer wiegelt ab: Zwar gäbe es eine Methode sozusagen, aufgeräumte Interfaces zu produzieren, wichtiger sei jedoch, das individuelle der Marken herauszuarbeiten – da dürfe dann gar nicht zu viel »Hartmann« drin stecken:

Designer, ich bin ja nicht Philipp Stark, wo man immer erkennt, ah das war der Stark. Der hatte irgendwie so ne Sprache. Ich hab' auch ne Sprache, aber die Sprache ist/ orientiert sich sehr stark daran, was meine Kunden brauchen. Sonst könnte ich das [...] glaube ich nicht für so viele verschiedene Kunden tun. Sonst hätte jeder Kunde mein Gerät, ja. Sondern es muss jeder Kunde sein Gerät haben. Seine DNA muss drin sein, aber ich bring', wenn's geht, die nächste Evolutionsstufe. Ich, das war bei Moog auch so. Also der Moog sieht ja sehr klassisch aus, wie n' klassischer Moog. Aber die Basisidee von diesem Schwung hinten, das war ganz neu. Und dieser Schwung, der hat  ist sicher eins der genialsten Designs, die ich bis jetzt überhaupt gemacht habe. Weil das ist günstig herzustellen, das hat so'n Moody-Vibe, sowas Hippiemäßiges, sowas Hippieskes irgendwie. Das hat was Solides, das ist dieses Silbrige hat auch sowas von so [...] Led Zeppelin, das ist/ passt unheimlich gut zur Marke Moog, aber Moog wäre darauf  selbst nie gekommen. So und dass ist das, was ich den Firmen geben will Also so ne Mischung. Ja. Und das Thema, das hat dann jetzt Arturia. Man muss sich trennen, weil ich darf das nicht wie Moog machen, das geht nicht. Das muss irgendwie/ Jeder muss sein Gesicht behalten.

die sache mit der kreativität als designer

Es ergeben sich aber auch für einen erfahrenen Profi immer noch Probleme – z. B. bei dem Warten auf die richtige Idee oder der Tatsache, dass von vielen Entwürfen der erste doch eigentlich der beste war:

[…] ich ne gewisse Zeit, die mich n' Thema beschäftigt, bevor ich da reinspringen kann. Bevor dann der Flow kommt, bevor ich merke, jetzt bin ich drin, jetzt geht das wie von alleine. Das ist auch was, was wichtig ist in meinem Beruf. […] Ja. […] Und mir reicht dann ein Moment oder n' Hirnfurz, irgendwas, was ich nachts geträumt hab', was ich beim Radfahren morgens hierher, was mir eingefallen ist, das pack' ich daran ein. Das ist dann das Besondere, alles andere ist trivial. […] ich bin da auch dankbar für, dass ich diese Fähigkeit so optimieren konnte über die Jahre auch üben konnte, dass ich das so schnell kann. Dass ich das gut einschätzen kann, wie lange brauche ich tatsächlich, um von ner Idee zu was zu kommen, was ich dann rübergeben kann an meine Jungs, die das dann bauen. […]. Auch interessant, also so jetzt mal über die Jahre betrachtet. Wenn ich überleg', wie das am Anfang war in den 1990ern als ich bei Walldorf angefangen habe. Wie viele Varianten ich von allem gebildet hab' und gescribbelt und gezeichnet und gebaut und gemacht. Und am Schluss, das ist mir schon ganz oft passiert, komme ich dann wieder zum ersten. Und das ist auch das Beste. Und diesen Prozess, den hab' ich über die Jahre sehr stark verkürzen können.

Eine Triebfeder für viele dieser Initialzündungen bleibt dabei für Hartmann das Neue und die bereits in Jugendjahren entdeckte Suche, der Drang nach dem nächsten Gerät. So verteidigt er sich auch gegen den Vorwurf seiner Frau, ein »Konsumist« zu sein.

Aber für mich war das immer der Reiz des Neuen auch. Und das ist auch das, was ich dann meiner Frau immer entgegne. Wenn ich das Interesse mal verlier', wenn ich diese Instrumente nicht mehr kaufen will und mich damit beschäftigen will, dann kann ich meinen Beruf aufhören. Ist einfach so. Das ist dieses Interesse. Auch was hat der Hans unv. Jetzt wieder für ne neuen Idee mit dem Morphing, wie hört sich das an? Wie hat der? Ach, das hat er so gemacht. Geil. Ja, das bringt einen ja auch auf Ideen. Das bringt ja die kreativen Säfte in Wallung […].

Um sich auf den aufregenden neuen Objekten zurecht zu finden hat Hartmann dabei eine ganz eigene Strategie entwickelt…

Wie kann ich jetzt damit meinen Africasound [bezogen auf den Song Africa der Band Toto, Anmrk. Van Keeken] hinschrauben? Das ist immer das erste, was ich bei jedem Gerät probiere. Egal was es ist. Ich versuch' immer erstmal n' Sound zu generieren, den ich kenne. Den ich in- und auswendig kenn' und mag. Egal, was das für'n Instrument ist. Es war schon immer das. Als erstes Mal probieren, wie kriege ich da Africa hin. Selbst mit'm DX-21 oder so.

Gerade das tiefe Einsteigen in die Themen und die wochenlange Arbeit mit den Synthesizern führt dazu, dass für Hartmann der Zauber, die Faszination für die individuellen Objekte verloren gehen kann. Das beschreibt er auch in Analogie zu bestimmten Songs, die beim Hören interessant klingen und ihr Mysterium verlieren, wenn er sie für einen Auftritt auswendig gelernt hat. Das nagt dann an der vorher beschriebenen Energie, der rastlosen Suche nach neuen Geräten und Klängen, sodass Hartmann selten die Geräte nutzt, die er auch selber designt hat:

Wenn ich so'n Synthesizer designe, dann muss ich ja sehr tief in diese Materie einsteigen und das Gerät verstehen. Und mich damit beschäftigen in nem Grad, der [...], der einen das Gerät so kennen lässt, dass es nicht mehr interessant ist. […] wenn ich die so entschlüsselt hab' und mir alles überlegt hab', wo jeder Knopf liegt und ist der da wirklich gut und dann kommt Frank Schneider und sagt ›Den können wir da nicht lassen, weil dann gibt's da ne Einstreuung. Mach' den woanders hin‹. Wenn man das so tausend Mal hin und her gemacht hat und dann irgendwann weiß man vielleicht zu viel über das Gerät und dann will man das nimmer spielen. Und ich spiel' deswegen nicht ein Gerät, das ich selbst designt habe. […] Ich spiel' auch kein Neuron, also nicht mal meinen eigenen Synthesizer […] Weil ich damit zu tief ​[…] zu tief drin bin […] vielleicht schaff' ich's ja irgendwann mal n' Synthesizer selbst zu designen, den ich dann auch spielen mag. Das ist so die next challenge vielleicht, ja.

Technik und Interface

Hartmann macht deutlich, dass er kein Techniker sei, aber das Technische – sowohl in Bezug auf den Herstellungsprozess, wie auch andere Aspekte mitdenken muss:

Vielleicht hab' ich mich da auch missverständlich ausgedrückt. Also ich kenn' mich mit Elektronik nicht wirklich aus. Ich weiß aber, durch die vielen Jahre in denen ich das jetzt eben tue, worauf ich achten muss beim […]/ dass n' Netzteil […] sich [nicht] wohlfühlt neben der digitalen Baugruppe. Solche Geschichten, das weiß ich, gell. Aber ich weiß auch, dass man bestimmte Ströme braucht, ich weiß auch dass es besser ist n' Netzteil lieber außen zu haben, wie drinnen, weil das einfach Probleme bereitet. […]

Ein »Klassiker« des Interfacedesigns ist die Abbildung des Signalflusses, über die Hartmann mit seinem Neuron versucht hat hinauszukommen – wo eben eine ganz andere technologische Grundlage zu beachten war:

Und ich weiß natürlich auch sehr genau, wie n' User-Interface aussehen muss, damit's verstanden wird. Eben diese Projektion von dem Signalfluss, das ist ja so das klassische Prinzip. Ja, was, was viele anwenden. Mit'm Neuron wollt' ich das eigentlich aufbrechen, da haben wir n' ganz anderes Prinzip hinterlegt, was/ mit dieser Technologie halt eben auch nur möglich ist, aber was auch sehr leicht verständlich und zugänglich ist für, für den Menschen, der dann damit Musik auch machen will, gell. Und das ist mein technologisches Verständnis.

Ein anderer Aspekt des Designs sind die verschiedenen Ansprüche, die durch die beteiligten Akteure bei der Produktion ins Feld geführt werden und die durchaus – zum Beispiel im Fall zu verwendender Materialien – zu Konflikten führen können. Auch die Ressourcen, die verschiedene Auftraggeber zur Verfügung haben, spielen dabei eine Rolle:

Und jeder hat n' anderen Anforderungsbereich. Also der eine kann Dinge tun, weil er einfach Geld hat und die Mittel und der andere hat das eben nicht. […] Also einmal klar, das Alleroberste ist, dass es ästhetisch ergonomisch passt. […] das ist […] die Kernanfoderung, sonst kann man nämlich das Produkt gar nicht verkaufen. Es muss irgendwo/ muss es n' Gefallen finden bei dem Konsumenten. Dann hat aber der Hersteller die Anforderung, dass es gut herstellbar ist, dass es günstig herstellbar ist, dass es problemlos herstellbar ist. Nicht alles, was günstig ist, ist auch problemlos. Es muss in den Maschinenpark passen, den der Hersteller bedienen kann. Es muss Erfahrungen, die n' Hersteller gesammelt hat bedienen, die n' anderer Hersteller eben nicht hat. […]

Abb. 3: Arbeit mit einem Prototypen in der Werkstatt.
Foto: Axel Hartmann

Auf diese Vielfalt an Anforderungen einzugehen beschreibt Hartmann als Kernkompetenz im Design. Dabei kann es schon mal sein, dass hinsichtlich der Ästhetik oder der Wahl nachhaltiger oder wertiger Materialien Abstriche gemacht werden müssen:

Und eben, dass muss man spüren als Designer […] für wen mach' ich das eigentlich? Für wen ist das Produkt nachher? Das ist meine Sichtweise als Musiker, das/ da hab' ich n' gutes Gefühl einfach, das fühl' ich irgendwie, wie so'n Produkt sein muss. Aber ich muss es ja für den Hersteller machen, der mir ja am Ende des Tages sagt: ›Du, das ganze Ding darf in der Herstellung nicht mehr wie 35,95 kosten. Und zwar in China‹. Dann weiß man schon, in welche Zielrichtung man gehen muss. […]

Auch die Verpackung gehört – ausgelöst durch Firmen wie Apple und Rezeptionspraktiken wie dem »Unboxing« oder »Unpacking« zur Aufgabe des Designers, so Hartmann.

Ist auch ne wichtige Komponente, wie verpack' ich n' Produkt. Seit Apple ist das eins der wichtigsten Bestandteile von Produkt, wie, wie ist das in der Verpackung, wie sieht die Verpackung aus? Wie ist das Unpacking-Erlebnis? Was für ein Schwachsinn. Ja. Aber das ist irgendwo n' Zeichen unserer Zeit.

Wie aber kommt die Nutzer*in in das Produkt? Wie kann Hartmann die musikalischen Praktiken in und an den Geräten, im Interface, in der Gestaltung umsetzen? Erste Referenz ist dabei der Umgang des Zielpublikums mit den Geräten. So führt Hartmann z. B. den Fall aus, dass er sich den Umgang von einem der Entwickler einer neuen Sound-Engine zunächst genau anschauen muss, um den Workflow im Interface zu optimieren. Über einen Vorführer einer der Auftragsfirmen sagt er:

Ja, das übernehme ich einfach von ihm. Er spielt das auch ganz anders. Er ist n' sehr, sehr guter Musiker, kann aber die schwarz-weißen Tasten nicht gut spielen, aber er kann unfassbar gut Sequenzen abfeuern, bedienen, einstellen, sowas. Und hat da auch ne Herangehensweise, die mir komplett fremd ist. Und das muss ich mir anschauen. Ich muss gucken […] wie arbeitet er, wo greift er […] hin, was, was fasziniert ihn, wie ändert er den Klang, wie legt er seine Akzente, wo hat er Probleme? Das sind Dinge, die ich versuch' wenn ich n' neues, neuartiges Gerät, n' innovatives Gerät gestalte, wo ich nicht eh schon weiß, wie's geht und wo die Schwerpunkte sind. Wo ich rein will. Das muss ich mir dann angucken, man muss zugucken. […] Da musst du gucken wie wird es benutzt? Wer will das benutzen? Wie lange will er das benutzen?

Das ist jedoch nicht die ganze Wahrheit, Hartmann nutzt auch das, was in der Designtheorie schon mal »I-Methodology« genannt wurde. Die Tatsache also, dass das Design auch von den Wünschen, Zielvorstellungen und (musikalischen) Erfahrungen des Entwerfenden selbst beeinflusst wird. Allerdings reflektiert Hartmann diese Praxis auch und sieht es dezidiert nicht als Nachteil:

Abb. 4: Eine Rückkehr zu den Wurzeln?
Render des Zarenbourg_3 im Stil alter E-Pianos.
Render: Axel Hartmann Design

nachtrag – Synthesizer-Design und atmosphäre

Ein weiterer Aspekt, den Hartmann auf Nachfrage offenbart ist die Zentralität der Ausstrahlung eines elektronischen Musikinstrumentes. Wie wirkt es im Raum, welche ästhetischen Ideen ruft es hervor?

[…] das ist auch das Unterscheidungsmerkmal. Das ist die Sprache, die es spricht. Was ich da designe. Wie steht der, was sagt der, was sagt der mir? Wie steht der da? Was ist das für'n Gefühl, was das Instrument erzeugt, wenn ich's Case aufmache und es raushol', ja. Das […] kann ich […] anhand von dem Moog gut, gut erklären. Der […] sagt, der sagt eigentlich wie er dasteht, was Moog ist. Der ist amerikanische History drin, da ist was Modernistisches drin. Ja, eben dieses Holzartige, die Art wie's zusammengebaut ist, die Farbigkeiten, das hat was Seriöses, aber doch was wo man denkt, das muss Spaß machen. Das hat was, was Stabiles, was, was irgendwie schon den Sound voraussagt, den das von sich gibt, das Gerät. Im Gegensatz jetzt zum Virus, der so'n bisschen eiskalt wirkt. Der wirkt so, technisch. So überdacht. So klein, so fein. […] Das ist ne ganz andere Wirkung, ja. Dabei ma/ gut, machen die fast dasselbe. ja, ich mein' klar, der ist monophon, aber ist auch n' Synthesizer, ja. Ich versuch' das immer in das Gerät einzupacken. Wie das da steht. Das muss immer den Raum mit dem füllen was, was es sein soll. Wo, wo es herkommt. Was es und wie es dann nachher auch wie es klingt, wenn ich draufdrück'. Das, das muss das irgendwie so wiedergeben. Auch bei dem Phantom ist das so. Diese roten Elemente, dieses bisschen Aggressive.

DAS INTERVIEW WURDE GEFÜHRT VON ALAN VAN KEEKEN.

Einzelnachweise

[1] https://www.amazona.de/green-box-hartmann-neuron/

Abbildungen

Abb. 1: Detailaufnahme Microwave. Mario Brand.
Abb. 2: Render von Novation Impulse. Axel Hartmann Design.
Abb. 3: Arbeit mit einem Prototypen in der Werkstatt. Axel Hartmann.
Abb. 4: Eine Rückkehr zu den Wurzeln? Render des Zarenbourg_3 im Stil alter E-Pianos. Axel Hartmann Design.