Foto: Rolf Müller
»Das Beste, –
nicht das Teuerste«[1], so lautet das Motto des
Fachhändlers Rolf Müller. Er verkauft seit 1972 Hi-Fi-Geräte in Freiburg.
Gemeinsam mit seinem Team berät er Kund*innen passend zu ihren individuellen
Bedürfnissen und bietet einen Installations-, Wartungs- und Reparaturservice
an. Lange Zeit konnte sich Rolf Müllers Tätigkeitsbereich einer konstanten
Nachfrage erfreuen: Für viele Menschen war es selbstverständlich, im privaten
Wohnraum über einen Plattenspieler oder eine Stereoanlage sowie mehrere
Lautsprecher Musik zu erleben. In der Gegenwart hat sich die Art und Weise des
Musikhörens insbesondere durch mobile Endgeräte wie Smartphones verändert. Zugleich
ist die Faszination für Hi-Fi nicht verschwunden, wie letztlich auch das
Geschäft von Rolf Müller beweist. Sich auf diesem Markt neben großen
Unternehmen behaupten zu können, erfordert Leidenschaft und ein feines Gespür
für qualitativ hochwertige Geräte sowie die Vorstellungen von Kund*innen.
Dieses Gespür kann man Müller zufolge nicht theoretisch lernen, sondern nur
durch eine gewisse Veranlagung, Eigeninitiative und praktische Erfahrungen
entwickeln.
Das Interview ist in drei Abschnitte geteilt. Sie können es mithilfe der Buttons entweder chronologisch oder thematisch lesen.
Rolf Müller wird bereits früh vom ›Hi-Fi-Bazillus‹ befallen: Seine erste Anlage baut er sich in den 1960er-Jahren selbst. Solche Bausätze sind für die Zeit nicht unüblich, denn Abspielgeräte waren oftmals sehr kostspielig:
Es ist dieses zugängliche und einigermaßen erschwingliche Prinzip, welches ihn damals fasziniert. Sein grundlegendes technisches Interesse geht auf die Reparaturen von Autos zurück; eine Beschäftigung, mit der Rolf Müller aufgewachsen ist. Wie viele andere vor ihm will er eigentlich Radio- und Fernsehtechniker werden. Die Tätigkeit sei allgemein ein »Traumberuf« gewesen, nur seine schulischen Leistungen passten nicht ganz dazu:
Schule war für mich nun wirklich alles andere/ es war Freiheitsberaubung. Muss ich schlichtweg sagen, aber ist so. Das empfand ich als ziemlich lästig und entsprechend waren meine Zensuren auch. So war das und dann konnte ich diesen Beruf leider nicht erlernen. Aus heutiger Sicht vielleicht Gott sei Dank, sonst hätte ich einen anderen Weg genommen.
Auf Anraten seiner Mutter entscheidet sich Müller schließlich für eine Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann. Das Interesse an Hi-Fi-Geräten begleitet ihn dabei fortlaufend: Nach seiner Ausbildung arbeitet er in Feinmesstechnikbetrieben und fängt hier an, Mitarbeitende zu beraten und ihnen zu günstigen Bedingungen Geräte zu besorgen. Zu dieser Zeit eine etwas riskante Angelegenheit:
Es gab damals eine Preisbindung, vielleicht wissen Sie das. Bis 1972 gab es die, habe ich in den Anfängen noch miterlebt als Selbstständiger. Wir arbeiten mit Großhändlern zusammen logischerweise und das war damals sehr strikt getrennt, das habe ich aber alles aufgebrochen und habe den Kunden, unseren Mitarbeitern, dann zu sehr guten Sachen verholfen zu anderen Konditionen. Früher waren die Spannen relativ heftig. Also das kann man heute nicht vergleichen.
Dieses erfolgreiche Handeln vorbei am Markt wollte Müller eigentlich als Selbstständiger ausbauen. Der Sprung ins Ungewisse machte jedoch ihm – und auch seinem vorgesehenen Geschäftspartner – damals noch zu viel Angst.
In den Südwesten Deutschlands verschlägt es Rolf Müller aufgrund einer Anstellung als Betriebsleiter einer Kondensatorenfabrik. Als die Firma kurz darauf aufgrund personeller Schwierigkeiten pleitegeht, ist er binnen sechs Wochen arbeitslos:
Neue Geräte bekommt er von einen Freund aus Hamburg, der bei Valvo – einem Tochterunternehmen von Philips – beschäftigt ist und sich nebenbei »den Spaß erlaubt, Leute zu beglücken mit Hi-Fi .« Dieser Spaß ist zum damaligen Zeitpunkt zwar strafbar, hält Müller aber nicht davon ab, sein Geschäft zu etablieren. Viel eher ist gerade dies der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Bald kann er eine erste Ladenfläche in Freiburg anmieten:
Wir haben so zwei Räume gehabt, einmal vorne, das nannte ich dann Hi-Fi Boutique, auch so ein bisschen auf gehobenes Niveau gemacht. Und wenn man den Gang ging, dann hieß es Hi-Fi Müller […] und da haben wir eben Studenten alle empfangen da hinten, die dann ihre Semesterferien genutzt haben, um Geld zu verdienen, sich dann eine vernünftige Hi-Fi-Anlage zu gönnen. So und die haben wir dann natürlich auch bedient zu anderen Konditionen. Aber eben nicht vorne im Laden. Ja, das war eine recht lustige Geschichte.
Als die Preisbindung abgeschafft wird, verliert das Konzept zwei getrennter Verkaufsräume seine Notwendigkeit. Rolf Müller zieht es danach raus aus der Innenstadt, denn ab 1979 konzentriert er sich zeitweilig im nördlichen Teil Freiburgs darauf, Hi-Fi-Komponenten in Autos zu verbauen; laut Müller damals eine Pionierleistung.
Es folgen weitere Standortwechsel, der Verkauf von Hi-Fi-Geräten aber bleibt konstant:
Also das […] hätte auch eine Autogeschichte sein können, aber das war dann doch ein bisschen zu langweilig, muss ich ehrlich gestehen, das ist natürlich ein viel umfangreicheres Feld hier und dann mit Musik verbunden, klar. Das Auto, die einzige Musik, die es macht, ist halt die Auspuffgeräusche und Motor. Das ist nicht so melodisch (lacht).
Abb. 1: Einblicke in die Ladenflächen von »HiFi Müller«
Foto: Rolf Müller
Rolf Müller beschreibt sich selbst als sehr visuellen Menschen. Somit ist für ihn nicht nur das klangliche Erlebnis entscheidend, sondern auch das Design der Hi-Fi-Geräte:
Stellvertretend für seine Designvorstellungen nennt Rolf Müller die Firma Braun. Als er begann, sich mit Hi-Fi auseinanderzusetzen, war es für ihn das einzige, was »richtig akzeptabel war von der Verarbeitung. Grundig war nicht schlecht, aber ja es war einfach Mittelklasse. Also für die Ansprüche, die man dann eigentlich entwickelt hatte.« Gerade die alten Apparate von Braun bezeichnet er als »schön übersichtlich« sowie »klar und zeitlos, im wahrsten Sinne des Wortes, das ist zeitlos.« Ein Gerät, das für ihn Design mit Stabilität und Haptik verbindet, ist beispielsweise der Sony TA-F 20 Verstärker. Diesen hat er sogar in seinem Laden ausgestellt:
Das ist wie gesagt die dritte Anlage, […] die ich mir persönlich gekauft habe. Im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Munde abgespart, das war ja richtig teuer, das Zeug. Und ja, das ist eine Sache, da ist eigentlich alles verwirklicht, was Hi-Fi-Technik eigentlich verkörpert. Das ist ja nicht nur das, was rauskommt, sondern auch das Erscheinungsbild, was hier verwirklicht wurde. Ganz extrem gute Verarbeitung. Sie können auf dem Gerät wirklich Eier kochen. Der geht nicht kaputt, der Verstärker.
Die Vervollkommnung seiner privaten Hi-Fi-Ausstattung sei bislang jedoch an seinen stilistischen Eigenheiten gescheitert – darin unterscheide sich Müller nicht von seinen Kund*innen. Weiter macht ihm die tägliche berufliche Beschäftigung mit Hi-Fi für den häuslichen Kontext einen Strich durch die Rechnung:
Ich habe zwar da eine Anlage, die nicht schlecht ist, das ist aber eher ein Behelf, aber ein guter Behelf, sagen wir mal so. Der mir nicht die Fingernägel hochklappt beim Musikhören (lacht). […] Außerdem zuhause bin ich zuhause, da gucke ich meist Fernsehen, muss ich ehrlich gestehen. Ich habe hier [im Laden, Anm. LMS] mehr Zeit zum Musikhören. Wenn ich wirklich gut drauf bin, kann ich hier auch alles hören, über jede Qualität, die ich haben will, was soll ich mir das zuhause nochmal hinstellen? Das ist ja die glückliche Lage, die ich hier habe.
Für Müller sind Hi-Fi-Komponenten dazu bestimmt, die klangliche Vielfalt unterschiedlicher Genres erlebbar zu machen:
Abb. 2: Das Hörstudio.
Foto: Rolf Müller
Damit einher geht, die Komposition eines Musikstückes abzubilden, anstatt sich auf die exakte Wiedergabe vereinzelter Töne zu konzentrieren: »Auf mich muss Musik wirken. Und ich sitze nicht da, um Stecknadeln zu hören, wie das bei Braun früher der Fall war. Konntest du hören. Aber die haben keine Musik gemacht, die Dinger. So ist das. Ich sage: ›Wollen Sie Musik hören oder wollen Sie Töne hören?‹ (lacht).« Solche Klangideale und damit verbundene technische Funktionsweisen vermittelt Müller auch in Form eines Hi-Fi-Lexikons über seine Website. So heißt es in einem Beitrag zu Audiokabeln einführend, die Überlegungen seien das Ergebnis langjähriger Hörerfahrungen und
keinesfalls abstrakte Forschungsergebnisse eines weltfremden ›Elfenbeinturms‹. Bei der Entwicklung von Audio-Produkten braucht man eine gewisse Offenheit in der Anwendung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, von Messdaten und empirischen Erfahrungen. Unglücklicherweise ist die Hi-Fi-Gemeinde weitgehend gespalten in diejenigen, die nur an Messergebnisse glauben und in diejenigen, die eine begrenzte Anzahl Hi-Fi-Produkte hören und dann ihre persönliche Theorie aufgrund dieser begrenzten Erfahrung entwickeln. Beiderlei Begrenztheit führt leider oft dazu, dass die eine Partei die andere in Ihrer Überzeugung lächerlich zu machen versucht. Die interessantesten Audio-Designs kommen aber stets von denen, die klug genug sind, alles erfassbare Wissen zusammenzutragen, von empirischen Ergebnissen über Messdaten bis hin zu Hörergebnissen.[2]
Dieses Plädoyer für eine differenzierte und damit präzise Herangehensweise wird für Rolf Müller von zwei Aspekten begleitet: Leidenschaft für das eigene Tun und Qualitätsdenken.
Rolf Müller verfolgt mit seinem Laden ein ganzheitliches Modell: Er will nicht nur neue Geräte für seine Kundschaft finden, sondern bemüht sich darum, bereits vorhandene Apparate instand zu halten:
Wir haben jetzt Gott sei Dank wieder Kunden, die doch etwas beschaulicher sind und eigentlich auch Erfahrung aus dieser Zeit, die ich geschildert hatte, gerade so in den Anfängen mitbringen und wollen auch alte Geräte [...] wieder repariert haben. Wenn das denn machbar ist, machen wir das auch. Wenn die Wertigkeit dahinter ist. Also nicht nur die emotionale Bindung an irgendso eine Schrottkiste, also da kann man auch nicht so richtig Spaß dran haben. Wie gesagt, das kommt jetzt wieder […]. Also es sind hier mehr Kunden, die sich wirklich mit der Sache auseinandersetzen und wissen, wir sind auch praktisch die einzige Anlaufstelle für Reparaturen. Weil, will ja keiner machen. Da opfert man Zeit ohne Ende, verdient ist daran überhaupt nichts, muss man dazu sagen, weil es ist ein reiner Liebesdienst.
Nach heutigem Kenntnisstand bezeichnet Müller vormals kostspielige Geräte namhafter Firmen als nicht fertig konstruiert und dadurch mangelhaft..
Die Herausforderung, die mit der Reparatur solcher Apparate einhergeht, macht für ihn einen Teil des Interesses an seinem Arbeitsfeld aus:
Da lernt man natürlich auch immer bei, wenn man die Geräte auf dem Tisch hat, klar. Das kennt man manchmal auch nicht, wenn man es nicht verkauft hat und auch nie repariert hat […]. Gut, das macht eigentlich auch diesen Beruf so interessant, weil man sich ja nie ausruhen kann. Es ist keine Routine. Selbst wenn Sie eine gute Grundausbildung haben, das geht nicht.
Abb. 3: Hauseigener Reparaturservice.
Foto: Rolf Müller
Praktische Kompetenzen und eine gewisse Leidenschaft für die Materie hält Rolf Müller für essentiell. Für ihn gilt: »Es gibt keine Berufsschule, die es lehrt. Das ist der Witz. Gibt es nicht. Ich weiß nicht, was die da lernen. Keine Ahnung. Das ist für mich überhaupt nicht zu gebrauchen hier. Gar nichts. Nichts. Gar nichts davon.« Zu zentralen Eigenschaften zählt Müller zwischenmenschliche Fähigkeiten und das flexible Anwenden verschiedener Wissensbestände. So sei es eine Sache, theoretische Kenntnisse zu beherrschen, eine andere diese in Beratungssituationen zu übersetzen. Am Beispiel eines früheren Mitarbeiters erläutert Rolf Müller die Differenz zwischen Theorie und Praxis.
So der hat alles gelesen und hat sein Wissen rausgekotzt. Im wahrsten Sinne des Wortes, ohne zu überlegen, was möchte der Kunde, was möchte der jetzt eigentlich vor mir, was braucht der eigentlich für eine Entscheidung und wieweit ist der überhaupt belastbar? Kommt der gerade aus dem Büro mit so einem dicken Kopf und will eigentlich möglichst schnell zum Ziel kommen, will was kaufen und welche Informationen braucht er? […] Ich bin mal dabeigestanden und sage: ›Das ist wunderschön, das hast du toll auswendig gelernt, nur da steht noch ein Kunde vor dir, das kannst du in eine Sprechtüte machen und selber nochmal hören, was du da quatschst.‹ Null Kontakt zum Kunden.
Die Nähe zur Kundschaft ist für Müller nicht etwa ein reines Mittel zum Zweck, um seinen Umsatz zu steigern. Vielmehr steckt für ihn im Austausch mit den Kund*innen ein echtes Vergnügen, welches sich wiederum positiv auf die Arbeitsleistung auswirkt. Für ihn sollte ein Beruf im besten Fall eine Berufung sein, die erfüllend ist.
Mit dieser Grundhaltung leitet er auch andere an. Denn wer die Komplexität seiner Tätigkeit unterschätzt, hat bei Rolf Müller keine guten Karten:
Weil wir viele Ausbildungen gemacht haben, kam mal eine Mutter mit ihrem Sohn und […] artikulierte sich ganz merkwürdig. So ungefähr nach dem Motto: ›Ja das ist ja nur Kaufmann.‹ Ich sagte: ›Kann Ihr Sohn auch sprechen?‹ Der hat nichts sagen dürfen […]. Ich habe gefragt: ›Wer soll denn die Ausbildung hier bitteschön machen?‹ War für mich schon gestorben (lacht). […] Nach dem Motto: ›Ja, weil wir nichts Anderes kriegen, muss er jetzt das machen.
Bestätigt sieht er seine Prinzipien im Erfolg seines Geschäftes und auch darin, dass seine Auszubildenden im Hi-Fi-Bereich langfristige Anstellungen finden:
Wie gesagt, dieses breitbandige Wissen, das wir hier haben, das ist schon ziemlich einzigartig […]. Ich habe viele ausgebildet und die sind alle komischerweise, obwohl ich sie hier nicht gebrauchen konnte, ruckzuck schnell und gut untergekommen. Die sind alle dankbar aufgenommen worden, […] die meisten sind immer noch dort, die wollen die gar nicht gehen lassen, weil die kriegen ja keinen Ersatz dafür.
In der Gegenwart reizt Rolf Müller die Ausbildung jedoch immer weniger. Nicht, weil er sein Wissen nicht gerne weitergeben würde: In seinen Augen werden die Grundvoraussetzungen der Anwärter*innen nur stetig schlechter. Grund dafür sei auch, dass an der Berufsschule wenig praktische Erfahrungen gemacht werden und die Auszubildenden dadurch beinahe Angst vor den Geräten aufbauen würden.
Neben der Leidenschaft für den eigenen Beruf spielt Qualitätsdenken eine zentrale Rolle für Rolf Müller. So ist Nachhaltigkeit etwas, das ihm besonders am Herzen liegt und sich in Details zeigt:
Mechanik, die eigentlich ewig lebt und Schalter, die nicht anfangen, irgendwann zu kratzen und zu rieseln. Und Drucktasten, die Dinger sind das scheußlichste, was es gibt. Nein, das sind richtige Kippschalter, wo wirklich [...] ein Federmechanismus dahinter ist, der eigentlich immer Kontakt macht und wo Oxidation bei den Materialien so gut wie gar nicht vorkommt.
Man müsse nicht Materialkunde studiert haben, um die Qualität von Geräten äußerlich zu erkennen. Gerade Plastik empfindet Müller als undankbar, da es bei der Reparatur deutlich schneller bricht und so unbrauchbar wird. Manche Werkstoffe haben seiner Meinung nach eine feststehende Qualität, die nicht durch ständige Neuerungen übertroffen werden kann:
Wenn die alle Vierteljahr ein neues Kabel brauchen, weil das ja besser ist, dann sage ich: ‚Weißt du was, das ist vielleicht anders, aber nicht besser. Und ich verkaufe oder empfehle dir gleich ein Kabel, wo wir physikalisch nicht diskutieren müssen, weil es so ist. Dann verkaufe ich dir ein reines Silberkabel, ein echtes Reinsilberkabel. Nicht eins, was da silberig klingt, so ist nämlich das meiste. Sind versilbert oder nicht mit einem hohen Reinheitsgrad […]. Der Reinheitsgrad des Kabels ist wichtig, das Material für die Wiedergabe. Und Silber ist der beste Leiter.
Nicht nur für die Reparatur der Geräte und für die Wiedergabe von Musik seien hochwertige Stoffe lohnenswert; das Material könne darüber hinaus sogar zweckentfremdet werden:
Ich sage den Leuten immer: ›Wissen Sie‹, die schlucken dann erst mal, wenn Sie nicht wissen, wie teuer Kabel sein kann und das ist nicht teuer bei uns, muss ich dazu sagen. Silberkabel 0,5 Meter liegt bei 320 Euro. Stereo. Das ist ein Witz, der Preis für diese Güte. Und dann sage ich immer: ›Wissen Sie, wenn Sie mit der Hi-Fi-Szene mal aufhören, dann haben Sie immer noch Vorteile, dann können Sie Ihrer Frau noch einen Ring machen lassen beim Juwelier aus dem Material. Da ist nichts verloren. Aber ein Kupferring, ich glaube nicht, dass Sie damit bei Ihrer Frau ankommen (lacht).
Sogenannte »Hi-Fi-Freaks, in Anführungsstrichen, diese ganzen Schwermütigen« würden auf der Suche nach neuen Alternativen oftmals einen hohen finanziellen Aufwand betreiben. Unnötig, wie Rolf Müller findet: »Bei uns hängen Kabel ohne Ende. Also aus der ganzen Historie. Ich bin mal froh, wenn ich sie los bin, die waren teilweise teuer. Aber wie soll ich die jemandem verkaufen? Wenn ich das bessere Produkt zum günstigeren Kurs habe?« Denn Qualität – das betont Müller unentwegt – ist kein Synonym für Kostspieligkeit:
Aber die haben den Eindruck, weil wir so eine Präsentation haben, ist das alles so teuer. Das ist gar nicht der Fall, nur ich mag das nicht, auf Apfelsinenkisten präsentieren. Verstehen Sie. Das gehört sich einfach nicht für wertige Produkte. Entsprechend muss der Rahmen auch stimmen. Das ist meine Vorstellung. Und so lebe ich auch. Ich meine, das ist die Philosophie, nach der wir hier arbeiten. Aber das heißt nicht, dass gute Produkte unbedingt teuer sein müssen. Das sind nur nicht die bekannten. Das verwechseln die meisten.
Mit seinem Laden verfolgt er das Ziel, qualitativ hochwertige Geräte abseits herkömmlicher Firmen ausfindig zu machen. Kleine Hersteller, die er schätzt, sitzen nicht nur in Deutschland, sondern beispielsweise in Frankreich. Leider haben solche Betriebe im Gegensatz zu etablierten Anbietern weniger Möglichkeiten, um sich zu präsentieren: »Wenn Sie viel Zeitung lesen, da ist Marantz, SABA, Pommes Frites und Salat, die sind immer drin, die machen Werbung ohne Ende und heute ist es Bose und andere, der größte Witz dieses Jahrhunderts. Im Prinzip Leuteverdummung.« Gerade Fachzeitschriften sind laut Müller Wirtschaftsunternehmen, die in der Gegenwart glücklicherweise immer weiter an Einfluss verlieren. Auch sie sind an der Steigerung des Umsatzdrucks beteiligt, den es zwar immer gegeben hat, aber »nicht in dieser Form, wie wir es heute haben. Da werden Sachen in den Markt gedrückt, die kein Mensch braucht. Überhaupt nicht. Sind billig. Sowieso nicht. Weil, das ist meines Erachtens Ressourcenvernichtung. Braucht kein Mensch.« Müller versteht sein Geschäft demnach als Ort, der Konsum mit Verantwortungsbewusstsein verbindet. Langlebige Produkte anzubieten, die Freude am Musikerleben bereiten, ist sein oberstes Ziel.
DAS INTERVIEW WURDE GEFÜHRT VON BENJAMIN BURKHART, DEN TEXT VERFASSTE LAURA MARIE STEINHAUS.
Abbildungen
Abb. 1: Einblicke in die Ladenflächen von »HiFi Müller«. Rolf Müller.
Abb. 2: Das Hörstudio. Rolf Müller.
Abb. 3: Hauseigener Reparaturservice. Rolf Müller.