Braun SK 5
(1958)

Foto: Klaus Polkowski

»Radiogeräte im Stil unserer Zeit« – Braun und der Umbruch des Designs

Die Braun-SK-Modelle gelten heutzutage als Ikonen des Designs der 1950er-Jahre. Nach der Markteinführung der Phonokombination SK 4 im Jahr 1956 vollzog sich nach und nach ein herstellerübergreifendes Umdenken hinsichtlich der Gestaltung von Phonogeräten. Dominierten in den 1950er-Jahren noch wuchtige Musikmöbel aus dunklem Holz die deutschen Wohnzimmer, entwickelte sich der Trend fortan  hin zu helleren Farben und schlichteren Formen. Die SK-Modelle, landläufig auch als »Schneewittchensarg« bekannt, avancierten zum Inbegriff dieses ästhetischen Wandels. Die Verantwortlichen des Braun-Konzerns ließen sich dabei von zeitgenössischen Trends des Produktdesigns inspirieren, die vonseiten der Phonobranche bis dato ignoriert worden waren. Während kostspielige Musikschränke eher wohlhabende und traditionsbewusste Käufer*innen adressierten, hatte der Konzern Braun weniger kaufkräftige, dafür vermeintlich modernere und stilbewusstere Kund*innen im Blick.

Das Dossier ist in drei Abschnitte geteilt. Sie können es mithilfe der Buttons entweder chronologisch oder thematisch lesen. Zwei Infoboxen zur Entwurfsforschung und dem Acrylglas bieten zusätzliche Hintergrundinformationen.

Objektbeschreibung

Die Phonokombination SK 5 befindet sich im Besitz des Zentrums für Populäre Kultur und Musik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und ist Teil der dortigen Audiogerätesammlung. Das Gerät gelangte durch die Schenkung eines Mitarbeiters, der es als Erbstück erhielt, in den Bestand des Instituts. Vor der Übergabe wurde es professionell restauriert, sodass es sich in gepflegtem und funktionstüchtigem Zustand befindet.

Die SK 5 wurde, wie schon das direkte Vorgängermodell SK 4, unter der Bezeichnung »Phonokombination« auf den Markt gebracht, da das Gerät einen Schallplattenspieler und ein Radio in einem Gehäuse kombiniert. Das Objekt zeichnet sich durch seine Quaderform aus, die Flächen sind durchweg gerade, die Kanten jedoch teils gerundet. Es verfügt über einen aufklappbaren und mittels einer Arretierungsschiene fixierbaren Deckel. Die Oberflächen sind aus Blech, Holz und Plexiglas gefertigt: Holzplatten umschließen den aus Blech gefertigten Korpus, in die Vorderseite sind grillförmige Lautsprecheröffnungen eingelassen und der Deckel aus Plexiglas gibt auch in geschlossenem Zustand den Blick auf die Benutzerschnittstellen frei. Die damals neue Kombination aus hellen Holzplatten an den Seiten und dem durchsichtigen Plexiglasdeckel brachte der SK 5, und zuvor der SK 4, den Spitznamen »Schneewittchensarg« ein. Diese leicht spöttische Bezeichnung bezog sich auf den gläsernen Sarg im Grimm’schen Märchen Schneewittchen. Die Benutzerschnittstellen sind auf der Oberseite des quaderförmigen Körpers angebracht. Links befindet sich der Plattenspieler, rechts daneben, in einer vertikalen und einer horizontalen Linie angeordnet, die Bedienelemente zur Steuerung der Frequenzen und der Wiedergabe. Ebenfalls in vertikaler Ausrichtung befindet sich am rechten Rand die Radioskala. Die Beschriftung des Geräts ist einheitlich in serifenlosen Antiquaschriften gehalten. Da das Modell professionell restauriert wurde, finden sich nur geringfügige Verschleißerscheinungen und keine Nutzermodifikationen. Die Abnutzungen beschränken sich auf kleinere Kratzer in der Lackierung des Blechs und im Holz, ferner auf minimale Verfärbungen.

Das integrierte Radioteil und der Plattenspieler wurden ebenfalls von Braun gefertigt (was seinerzeit nicht unbedingt der Regel entsprach). Im Vergleich zum Vorgängermodell SK 4 wurde in der SK 5 das neuere Plattenspielermodell PC 3 SV eingebaut, das nun vier statt drei Abspielgeschwindigkeiten anbot (vgl. Klatt 1989: 10). Das Gerät ist lediglich für Monowiedergabe konstruiert, erst das Nachfolgemodell SK 61 ermöglichte drei Jahre später stereofone Wiedergabe. Die SK 5 wurde für 325 DM angeboten und war damit im Vergleich zu repräsentativen Musikmöbeln der 1950er-Jahre, die bisweilen mit Preisen von mehreren Tausend D-Mark zu Buche schlugen, äußerst preisgünstig.

»Für modernen Lebensstil« – Phonogeräte der Firma Braun

»Wie ein Ufo unter Dampflokomotiven« (Anonym 1975: 122) – so charakterisierte das Magazin Spiegel die Phonokombination SK 4 noch rund zwei Jahrzehnte nach ihrer Markteinführung. Von »Zierleisten und schnörkelige[n] Beschläge[n]« habe man sich damals verabschiedet (ebd.), nachträglich wurde die SK 4 als das zentrale Gerät stilisiert, das den Wandel des Braun-Designs versinnbildlichte. Man habe sich hierbei vom »Tonmöbel-Wesen« (Wichmann 1998: 67) bzw. vom »Möbelcharakter des Radios« (Klatt 1989: 6) abgewandt. Die grundlegende Gestaltung änderte sich bei den unmittelbaren Nachfolgemodellen wie der SK 5 nur graduell (vgl. Klatt 1989: 10).

Die Gestaltung des Geräts wird Hans Gugelot, von 1954 bis 1965 Professor an der Hochschule für Gestaltung Ulm, und dem Braun-Mitarbeiter Dieter Rams zugesprochen. Fritz Eichler, Kunsthistoriker und damaliger Design-Direktor der Firma Braun, erinnert sich an die »schwierige Geburt« (zit. n. Wichmann 1998: 68) des Geräts. Während die Ideen des frisch engagierten Rams für die Anordnung des Plattenspielers und der Bedienelemente bereits weit gediehen gewesen sein sollen, habe man sich mit der Gehäusekonstruktion schwergetan. Das weiße Blechgehäuse sei sodann auf einen Einfall Hans Gugelots zurückgegangen, die seitlichen Holzwangen habe man verwendet, um die Nutzer nicht zu überfordern und das Objekt als Phonogerät erkennbar bleiben zu lassen (vgl. ebd.: 79). Die zündende Idee für den Plexiglasdeckel, der den Plattenspieler in ungewohnter Weise auch während des Abspielvorgangs sichtbar machte, wird landläufig Rams zugeschrieben. Indes ist die Urheberschaft nicht einwandfrei geklärt, weswegen sich um dieses entscheidende Element verschiedene Ursprungsmythen ranken (vgl. ebd.). Die in den 1950er-Jahren keinesfalls übliche Platzierung des Plattentellers neben den Bedienelementen unter einem Deckel findet sich bereits bei einem früheren Braun-Gerät: 1939 wurde der Braun Phonosuper 6740 W vorgestellt, der weder Gugelot noch Rams bekannt gewesen sein soll. Aufgrund der Markteinführung unmittelbar vor Kriegsbeginn war das Gerät letztlich nicht bekannt geworden (vgl. Klatt 1989: 12).

Dieter Rams zufolge hätten die modernen Phonogeräte aus Braunscher Fertigung in den 1950er-Jahren keineswegs sofort zu finanziellen Erfolgen geführt und die Produktion habe man lediglich dem unternehmerischen Weitblick des Firmenteilinhabers Erwin Braun zu verdanken gehabt (vgl. Wichmann 1998: 79). Nach dem Tod des Firmengründers Max Braun im Jahr 1951 begannen dessen Söhne Artur und Erwin die Geschicke des Unternehmens zu lenken. Zum damaligen Zeitpunkt unterschied sich das Angebot des Konzerns auf dem Phonosektor nicht von dem der Konkurrenz (vgl. ebd.: 47). Insbesondere durch das Engagement des Kunsthistorikers Fritz Eichler, so erinnert sich Artur Braun, sei ab 1954 im Unternehmen »Kultur auf Fabrik« (Braun 2011: 6) getroffen. Fortan habe man sich zunehmend mit Fragen des zeitgenössischen Designs beschäftigt (vgl. ebd.: 6f.). Erwin Braun soll insbesondere von einem Artikel über den Industriedesigner Raymond Loewy beeindruckt gewesen sein, der 1953 im Magazin Spiegel erschien (vgl. ebd.: 8). In diesem Text werden Loewys grundsätzliche Fragen an die Formgestaltung wie folgt paraphrasiert: »Warum konnte das sogenannte Maschinenzeitalter nicht auch schlichte, zweckbetonte Gegenstände hervorbringen? Warum sollte die Welt nicht industrialisiert werden können, ohne dabei häßlich zu sein?« (Anonym 1953: 32). Loewy habe zudem stets versucht, bei »jedem neuen Entwurf […] die ›Sinnesreaktion‹ des Käufers einzukalkulieren« (ebd.), und sei auf der Suche nach »der Formel der ästhetischen Zweckform« (ebd.: 36) bzw. der »dem Zweck völlig angepaßte[n] und gleichzeitig ästhetisch schöne[n] Form« (ebd.) gewesen. Ferner habe eine Studie des Allensbacher Instituts für Demoskopie aus dem Jahr 1954, gemäß derer sich 36 % der westdeutschen Frauen für einen modernen Wohnstil entschieden hätten, die Braun-Brüder in ihrer Idee zur Modernisierung der Produkte, insbesondere des Phonosektors, bestärkt (vgl. Anonym 1955b: 47). Infolgedessen wurden 1954 in der betriebseigenen Zeitschrift Betriebsspiegel die neuen Leitlinien unter dem Motto »Für modernen Lebensstil« (zit. n. Braun 2011: 11) formuliert: »Gerade in der äußeren Gestaltung unserer Geräte suchen wir dabei neue Wege, um schönere und zweckmäßigere Formen zu finden. Unser Fertigungsprogramm ist ein Programm für den modernen Lebensstil, den die Menschen unserer Zeit bejahen und dem wir nach besten Kräften dienen – jeder an seinem Platz« (zit. n. ebd.). In einer Sonderausgabe der Zeitschrift aus dem Jahr 1955 war zudem zu lesen: »Die Richtung heißt: moderne, klare, schlichte Form, schönes Material, helle Farben, sinnvoller Aufbau, technische Höchstleistung« (zit. n. Wichmann 1998: 285). Zu den frühen Phonogeräten, die mit diesen Designprämissen in Verbindung gebracht werden, zählen der Radio-Super TS-G, der Phonokoffer combi, der Super G 11 und der Plattenspieler G 12.

Die öffentliche Inszenierung der unter der Ägide Gugelots entworfenen Geräte wagte man erstmals 1955 auf der Düsseldorfer Rundfunk-, Fernseh- und Phonoausstellung (vgl. ebd.: 60–63). Zeitgleich proklamierte der Konzern mit Prospekten und Werbeanzeigen in einschlägigen Magazinen seine neuen Grundsätze. Der vielfach gebrauchte und variierte Slogan »Geräte unserer Zeit« findet sich auch in einem Prospekt aus dem Jahr 1955, in dem zugleich betont wird, die »bewältigte Technik« (Braun-Prospekt 1955: 3) stehe im »Dienst des Menschen von heute, um ihm das Leben leichter, schöner und bequemer zu machen« (ebd.). Zudem gewährleiste man besseren »Klang und zeitgerechte Formen« (ebd.), die »schwere Pracht der Wohnungen mit Gold und Glanz [sei] nicht mehr nach unserem Geschmack« (ebd.). Die gezielte Zusammenarbeit von Kunstschaffenden und Industriellen prononcierte der Konzern beispielsweise in einer Werbeanzeige, die in der Fachzeitschrift Funkschau veröffentlicht wurde: »Die technisch ausgereiften Hochleistungs-Super sind von Künstlern gestaltet und sie passen zu unseren freundlichen Wohnräumen« (Anonym 1955a: 503).

Dass der Konzern Wert auf pragmatische gestalterische Feinheiten und moderne Materialien legte, verdeutlicht die Inszenierung der Geräte in Prospekten. Im Falle des TS-G (Abb. 1) wird beispielsweise die Möglichkeit betont, das Gerät frei im Raum platzieren zu können, da es auch über eine gestaltete Rückseite verfüge. Die Radio-Phono-Kombination combi (Abb. 2) wurde hingegen »aus neuartigem, stoßfestem Kunststoff« gefertigt, zu den »lichtgrauen Farbtönen« gesellten sich verschiedene rote Elemente – eine Kombination, die mit den ›traditionellen‹ Musikmöbeln nur noch wenig gemeinsam hatte. In wirtschaftlicher Hinsicht erwies sich die Neuorientierung als Erfolg: Zwischen 1956 und 1961 konnte der Konzern eine Umsatzsteigerung von etwa 80 % verzeichnen, die Belegschaft wuchs in vergleichbarem Maße (vgl. Wichmann 1998: 99).

Abb. 1: Werbeprospekt des Herstellers Braun (1955), S. 7.
Foto: Bestand des Zentrums für Populäre Kultur und Musik

Abb. 2: Werbeprospekt des Herstellers Braun (1955), S. 21.
Foto: Bestand des Zentrums für Populäre Kultur und Musik

»Radiogeräte im Stil unserer Zeit« – mit diesem Slogan schien Braun Mitte der 1950er-Jahre den Nerv der Zeit getroffen zu haben. Denn bisweilen wurde elementare Kritik an den althergebrachten Gestaltungsweisen von Phonogeräten im Stil des sogenannten »Gelsenkirchener Barocks« laut, die, so der Vorwurf, mit moderner Formgestaltung nichts zu tun hatten. Eindrücklich zeigt sich dieses Stimmungsbild im Dialog der Redaktion der Zeitschrift Hör Zu! mit ihrer Leserschaft: 1954 druckte die Zeitschrift einen Leserbrief ab, der unter der Überschrift »Gehäuse-Kitsch« Kritik an der Gestaltung zeitgenössischer Phonoobjekte übte. Moniert wurden die »gleichbleibend spießigen Geräteformen« (Anonym 1954: 20) und die »ewig langweiligen Echt-Nußbaum-poliert-Apparate« (ebd.). Insgesamt habe »die Rundfunk-Industrie (jedenfalls in der Bundesrepublik) über der technischen Vervollkommnung der Geräte die äußere Form außer Acht gelassen« (ebd.). Wenig später veröffentlichte der HörZu!-Chefredakteur Eduard Rhein unter dem Titel »Empfänger in Uniform« einen Artikel, in dem er die diversen Zuschriften resümierte, die die Redaktion infolge des Leserbriefs erreicht hatten (Abb. 3). Der Artikel wird von einer Fotografie konturiert, auf der 35 Radiogeräte unterschiedlicher Hersteller zu sehen sind, die sich äußerlich tatsächlich kaum voneinander unterscheiden. Die Kritik der Leserschaft bezog sich im Wesentlichen auf die Aspekte Form, Farbe und goldglänzende Verzierungen. Die Rede ist von »›gräßliche[m], billige[m] Hochglanz‹« (zit. n. Rhein 1954: 3), beim »›Bau von Rundfunkempfängern [werde] nur an Menschen ohne Kultur und Geschmack‹« (zit. n. ebd.) gedacht und das »›Übermaß an Messingschienen und -plaketten und golddurchwirkten Stoffen [sei] kaum noch zu ertragen‹« (zit. n. ebd.). Daraufhin schlussfolgerte Rhein: »Wir brauchen den Gehäuse-Architekten« (ebd.). Die Wochenzeitung Die Zeit hingegen brachte die Braun-Geräte in direkten Zusammenhang mit zeitgemäßer Formsprache. In der Rubrik »für menschen unserer zeit« (vgl. Anonym 1955d: 18) präsentierte man diverse Phonogeräte des Frankfurter Konzerns. Zudem proklamierte Gottfried Sello (1955: 20) in der Zeit die »Revolution des Geschmacks« (ebd.) sowie den »Kampf gegen das Unechte, das Angemaßte, das Prunkende, den sinnlosen Schnörkel, das längst Überholte, bloß Imitierende« (ebd.). Zweckmäßigkeit sei hier das benötigte Rezept, die Form solle von der Funktion bestimmt werden. Der Artikel wird von einer Fotografie begleitet, die eine »Wohnecke mit einem Radiogerät von Braun nach dem Entwurf der Hochschule für Gestaltung Ulm« (ebd.) zeigt – zu sehen ist die Radio-Phono-Kombination PKG 1.

Abb. 3: ​ Artikel »Empfänger in Uniform« (1954).
Foto: Hör Zu! 18/1954, S. 3

Hier zeigt sich, dass die Gestaltung von Phonoobjekten, und damit auch der Braun-Geräte, selbst in Medien mit großer kommunikativer Reichweite bisweilen intensiv diskutiert wurde. Fiel die althergebrachte Formsprache hier bereits scharfer Kritik anheim, intensivierte sich die Ablehnung in Design- und Architekturzeitschriften noch zusätzlich. So wurde in der Zeitschrift Architektur und Wohnform argumentiert, die traditionellen Geräte hätten »als störendes Element die Harmonie der Räume« (Schirmer 1955: 43) unterbrochen und nicht zur zeitgemäßen Einrichtung gepasst (vgl. ebd.: 44). Zur Illustration sind im Rahmen des Artikels mehrere Braun-Geräte abgebildet, und bei diesen finde man keine »Talmi-Eleganz, keine Goldleiste, kein[en] Goldknopf und keine Hochglanzpolitur« (ebd.: 45) – sie seien deshalb »geeignet, endlich eine neue Epoche auf dem Gebiet der Rundfunk- und Phonogeräte einzuleiten« (ebd.: 46). Ein Jahr später wurden die ›traditionellen‹ Gerätschaften, also die Musikschränke, in der Zeitschrift sogar als »Monster« (Debus 1956: 78) und »Möbelungeheuer« (ebd.) bezeichnet, und moderne technische Geräte passten schlichtweg »nicht in die überkommene Vorstellung von luxuriöser Gemütlichkeit« (ebd.: 79). Wiederum sind auf den begleitenden Fotografien Braun-Geräte zu sehen.

Die neuen Braun-Geräte wurden auch von der spezialisierten Phonofachpresse zur Kenntnis genommen. Die SK 4 im Speziellen habe den »in Käuferkreisen geäußerten« (Anonym 1957a: 11) Wünschen nach Modernisierung entsprochen und ließe sich als »[n]euartiger Phonosuper« (Anonym 1956a: 723) bezeichnen, der sich – wie für Braun-Geräte mittlerweile üblich – frei im Raum platzieren lasse. Ferner sei das Gerät einerseits aufgrund des niedrigen Preises, vor allem aber der Form wegen »eine Sensation« (Anonym 1956b: 348). Die SK 4 lasse sich getrost als »Markstein in der Phonosuperentwicklung bezeichnen« (ebd.), denn hierbei hätten »Formkünstler [und] Radiofachmann so glücklich zusammengearbeitet, daß wirklich etwas in Idee und Form gleich Vollkommenes entstanden« (ebd.) sei. Tendenziell betonte die Fachpresse jedoch eher das unternehmerische Geschick der Braun-Brüder, weniger die klanglichen Qualitäten ihrer Produkte. Der Empfänger sei, so schrieb beispielsweise die Funkschau, für die breite Masse ein Gebrauchsgegensand, das technische Innenleben sei daher mehrheitlich nicht von Interesse. Passe ein Phonoobjekt also äußerlich ins Ambiente, seien die Ansprüche erfüllt (vgl. Anonym 1955b: 416). Eben dies habe man bei Braun erkannt, folgerichtig auf den gesellschaftlichen Bedarf reagiert und entsprechende Formen entwickelt: »Für die immer mehr gekauften Anbaumöbel und auch für die extrem modern eingerichtete Wohnung ist erstmalig eine vollständige Serie von Geräten lieferbar« (ebd.; vgl. auch Anonym 1956c: 408). Dass der Konzern sogar Verkäuferschulungslehrgänge initiierte, spräche tatsächlich für ein ganzheitlich durchdachtes Marketing-Konzept (vgl. Anonym 1956d: 136). Letztlich musste aber auch die Fachpresse konstatieren, dass »[m]oderne Bauten mit betont neuzeitlicher Innenarchitektur« (Diefenbach 1960: 69) eben auch »Rundfunkgehäuse gleichen Stils« (ebd.) erforderten.

Da sich Mitte der 1950er-Jahre also das Streben nach neuzeitlichem Design zu institutionalisieren begann, herrschten für ein Gerät wie die Phonokombination SK 4 und ihre unmittelbaren Nachfolger günstige Bedingungen. Die ›gute Form‹ etablierte sich als ästhetische Norm, und so konnte die SK 4 auf dem Markt bestehen – wenngleich ihr mehr oder minder alles fehlte, was Musikmöbel zuvor ausgezeichnet hatte. Statt Nussbaumholz und Messingleisten orientierte sich das Design nun an Naturholzleichtmöbeln, wie sie in den 1950er-Jahren aus den skandinavischen Ländern importiert wurden (vgl. Selle 2007: 144 f.). Dieter Rams selbst machte vor allem die Einflüsse des Bauhauses und der Ulmer Hochschule für Gestaltung verantwortlich für das funktionale Design, das die neuen Braun-Geräte bestimmte (vgl. Rams 1990: 131). Dieses »Bekenntnis zur Schönheit klarer, funktionalistischer Bauweise« (Glaser 2007: 78) existierte in den 1950er-Jahren aber parallel zum etablierten Design, das sich am »Gelsenkirchener Barock« orientierte. Diese »widersprüchliche Gleichzeitigkeit« (Selle 1998: 612) macht deutlich, dass sich die populärsten Designströmungen (nicht nur) im Bereich der Phonoobjekte an Gestaltungsweisen orientierten, die bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren etabliert worden waren: einerseits am wuchtigen »Gelsenkirchener Barock«, andererseits an der funktionalen Bauhaus-Formsprache. Da weite Teile der Bevölkerung weiterhin die altbekannten Formen präferierten, zog die Markteinführung der SK 4 nicht nur wohlwollende, sondern auch skeptische Reaktionen nach sich. Insbesondere die eher abwertende Alltagsbezeichnung »Schneewittchensarg«, unter der das Gerät letztlich bekannt wurde, ist Ausdruck der öffentlichen Irritation (vgl. Selle 2007: 140). Andere Hersteller glaubten noch Jahre später nicht an die Markttauglichkeit der Braun-Geräte (vgl. Klatt 1989: 7), die belächelnde Verwunderung zeigte sich erstmals in vollem Maße auf der Düsseldorfer Rundfunk-, Fernseh- und Phonoausstellung, wie der Spiegel Jahre später zu berichten wusste: »Auf der Düsseldorfer Fachausstellung freilich hohnlachte die Branche über den kahlen ›Kubismus‹ des Braun-Radios und verspottete es als ›Kaninchenstall‹. Viele hielten die jungen Brauns schlichtweg für ›verrückt‹« (Anonym 1964: 77).

Die Begeisterung für modernistisch anmutende Geräte wie die SK 4 und ihre Nachfolgermodelle war zunächst auf eine spezifische Nutzerschicht beschränkt. Tendenziell konnte Braun Angehörige der stilbewussten städtischen Mittelschicht, die sich ohnehin keine hochpreisigen Musikmöbel leisten konnten, für die neuen Phonomodelle begeistern. In ländlichen Gebieten wurden hingegen keine nennenswerten Umsätze generiert (vgl. Wichmann 1998: 66; Selle 2007: 149). In der Designbranche stießen die neuen Gerätschaften indes auf äußerst positive Resonanz. In Fachmagazinen wurden Braun-Geräte als integrale Bestandteile moderner Wohnarrangements inszeniert, bisweilen waren ihnen auch ganze Artikel gewidmet (vgl. Abb. 4). Die SK 4 im Speziellen wurde alsbald in die Ausstellungen von Musterwohnungen, die den modernen Wohnstil repräsentieren sollten, integriert. Im Rahmen solcher Bauausstellungen, etwa der Berliner Interbau, waren beinahe ausschließlich Braun-Geräte zu sehen (vgl. Wichmann 1998: 90). Das internationale Interesse an den Braun’schen Phonoobjekten, auch an der SK 4, äußerte sich beispielsweise durch deren Ausstellung auf der Mailänder Triennale im Jahr 1957 (vgl. ebd.: 90). 1958/59 wurde die SK 5 schließlich nebst weiteren Braun-Gerätschaften im New Yorker Museum of Modern Art im Rahmen einer Ausstellung zu elementaren Errungenschaften des Möbel- und Elektronikdesigns präsentiert und zählte dabei zu den etwa 500 ausgewählten Designobjekten der vergangenen 60 Jahre (vgl. ebd.: 95).

Abb. 4: Artikel »Endlich auch Radio- und Fernsehgeräte im Stil unserer Zeit« (1955).
Foto: Architektur und Wohnform 1/1955, S. 43

infobox entwurfsforschung

Wenngleich der Entwurf des ›Schneewittchensargs‹ gemeinhin als Gemeinschaftsprojekt von Dieter Rams und Hans Gugelot beschrieben wird, ist über die tatsächlichen Entstehungsbedingungen der Phonokombination wenig bekannt. Einen vagen Eindruck des schöpferischen Schaffens der Designer vermitteln allenfalls Interviews mit Dieter Rams sowie vereinzelte Entwurfsskizzen, die in ausgewählten Publikationen abgedruckt wurden. Im von Uta Brandes (1990) herausgegebenen Band Dieter Rams, Designer. Die leise Ordnung der Dinge sind einige solcher Skizzen zu sehen, konturiert durch Erzählungen über den Designer, der bisweilen auch selbst zu Wort kommt. Zweifelsohne dienen derlei Publikationen auch der Imagepflege und der Inszenierung Rams’ als Visionär des modernen Designs der Nachkriegsjahrzehnte – ein Status, der angesichts der zahlreichen unter Rams’ Namen bekannt gewordenen Designobjekte kaum erstaunt. Zugleich forcieren zeitgenössische Ansätze der Entwurfsforschung das Hinterfragen derartiger ›Heldenerzählungen‹, die die Prozesse von den ersten Entwurfsideen bis hin zur fertigungsreifen Ausführung lediglich an Einzelpersonen koppeln und die Komplexität solcher Vorgänge nicht abbilden. Der Designtheoretikerin Claudia Mareis (2014: 38) zufolge ist es Aufgabe der Entwurfsforschung, Entwurfswerkzeuge, Konzeptionen und Ideenfindungsprozesse zu untersuchen, die letztlich in der Gestaltung produktionsreifer Artefakte münden. In diesem Zusammenhang hat sich die Idee einer »reflexive[n] Entwurfsforschung« (Ammon/Froschauer 2013: 16) herausgebildet, in der nicht abgeschlossene Entwürfe und fertige Artefakte untersucht werden, sondern gerade die Prozesse, Praktiken und Techniken, die diese hervorbringen (vgl. Hauser 2013: 366; Häsler 2017: 105). Infolgedessen werden gängige Narrative, die die Entwicklung von Artefakten vorwiegend mit den Geistesblitzen von Einzelpersonen in Verbindung bringen, zunehmend infrage gestellt:

Kulturwissenschaftliche Erforschung des Entwerfens bedeutet […], die Fixierung auf die Künstlerpersönlichkeit aufzugeben zugunsten einer Untersuchung von Materialien und Materialkulturen, Arbeitsbedingungen, Umfeldern, an Entwurfsprozessen beteiligten Agenten und Netzwerken. (Ammon/Froschauer 2013: 27)

Mittlerweile scheint unstrittig, dass sich Entwurfs- und Fertigungsprozesse für gewöhnlich kollaborativ vollziehen, da gerade technische Artefakte bisweilen so komplex konstruiert sind, dass das Ineinandergreifen unterschiedlicher Professionen eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Herstellung ist. Mitunter sind allein mehrere Hundert Zeichnungen notwendig, bis ein Entwurf in baufähiger Ausführung gezeichnet werden kann (vgl. Carlson 2000: 138f.; Ferguson 1993: 97ff.). Die Fertigungsarbeiten werden sodann in der Regel von Personen übernommen, die nicht mit den Entwürfen in Verbindung gebracht werden, für deren praktische Umsetzung aber unerlässlich sind (vgl. Ammon 2019: 221). Insofern fallen die Darstellungen von designspezifischen ›Geniestreichen‹ einzelner Personen zunehmend der Kritik anheim, handele es sich dabei doch in aller Regel um nachträgliche Mystifizierungen:

Das durch die Designgeschichte hindurch notorisch perpetuierte Motiv des »genialen« Autorendesigners wird gegenwärtig […] mit der Idee eines »heterogenen Engineering« kontrastiert. Statt einzelner Heroen geraten nunmehr die Grenz- und Zwischenräume des Designs und seiner Wissenskultur(en) ins Blickfeld der Betrachtung. Wissen ist demnach auch und vor allem im Bereich des Designs als »Produkt oder Effekt eines aus heterogenen Materialien strukturierten Netzwerkes« zu verstehen, in dem »soziale, technische, konzeptuelle und textuelle Einzelkomponenten zusammengefügt und auf diese Weise in einen Satz gleichermaßen heterogener wissenschaftlicher Produkte umgewandelt (oder ›übersetzt‹) werden«. (Mareis 2010: 12)

So wären auch die Erzählungen rund um die Entstehung des ›Schneewittchensargs‹ um die Einflüsse von Personen aus den Bereichen Konstruktion und Produktion, die zur serienmäßigen Fertigung der Phonokombination beitrugen, zu ergänzen. Voraussetzung für solche Forschungen sind allerdings Informationen über die tatsächlichen Produktionsprozesse technischer Artefakte, die in aller Regel äußerst schwierig zu beschaffen sind. Einerseits kann hierbei versucht werden, beteiligte Personen für wissenschaftliche Interviews zu gewinnen, andererseits stehen archivalische Bestände vereinzelter Hersteller zur Verfügung, auf deren Basis sich Einblicke in Entstehungsbedingungen der Objekte generieren lassen. Das detaillierte Nachzeichnen solcher Herstellerintentionen ist in der kulturwissenschaftlichen Objektforschung bislang allerdings kaum vorangetrieben worden (vgl. Burkhart 2021).

In der DDR entwickelte sich in den späten 1950er- und frühen 1960er-Jahren ein ähnlicher Diskurs. Hinsichtlich der Ansprüche an das moderne Industriedesign galten in Ostdeutschland vergleichbare Voraussetzungen, da sich die Ausbildung der Kunsthochschule Berlin-Weißensee am Funktionalismus der Bauhaus-Formsprache orientierte. Die Absolvent*innen wurden bisweilen auch mit der Gestaltung von Phonoobjekten betraut, woraus ähnliche Kooperationen resultierten wie im Falle der Zusammenarbeit zwischen Braun und der Ulmer Hochschule für Gestaltung (vgl. Pfützner 2018: 39 ff.). Diverse Geräte aus DDR-Produktion bzw. aus der Feder von Kunsthochschulabsolvent*innen veranschaulichen diese Parallelen, beispielsweise die von Karl Clauss Dietel und Lutz Rudolph gestalteten Objekte des Heliradio-Systems RK3, P1 und L20 (1963–1965) (vgl. ebd.: 141) und das von Jürgen Peters entworfene Radiosystem Stereo 72 (1962) (vgl. ebd.: 186).

In der Zeitschrift Kultur im Heim wurde 1957 proklamiert, die Form eines Phonoobjekts müsse dessen »Funktion ausdrücken und eigentlich nichts mehr« (Anonym 1957b: 6), derart gestaltete Geräte seien »vornehmer als stark gemaserter, polierter Wurzelnußbaum mit ›goldig‹ galvanisiertem Blech« (ebd.). In diesem Artikel werden auch einige Geräte gezeigt, die diese Funktion vermeintlich erfüllten und zudem als preiswert deklariert wurden, denn: »Die Konstruktion entspricht einer industriellen und dabei ökonomisch billigen Herstellungsweise« (ebd.: 7). Ein Jahr später überschrieb die Zeitschrift einen Artikel mit »Ton und Bild – formschön umrahmt« (Anonym 1958: 8) und komplementierte den Text mit zahlreichen Abbildungen von Phono- und Fernsehkombinationen. Auch die westdeutsche Fachzeitschrift Funk-Technikbestätigte in einem Bericht über die Leipziger Frühjahrsmesse 1961, dass sich »jetzt eine ganze Reihe von Empfängern an die sogenannte ›nordische‹ strenge, moderne Form« (Anonym 1961: 177) anlehne – instruktive Beispiele seien die Modelle RK 2 und RS 2 des Herstellers Gerätebau Hempel, der auch für das Heliradio-System verantwortlich zeichnete (vgl. ebd.: 179).

infobox acrylglas

In seiner 1957 erstmals veröffentlichten Textsammlung Mythen des Alltags widmete der Philosoph Roland Barthes dem Plastik ein eigenes Kapitel. Anlass waren seine Erlebnisse auf einer Kunststoffausstellung in Paris (vgl. Westermann 2007: 320), die Barthes offenbar nachhaltig beeindruckt hatte. So beschrieb er den Kunststoff als »erste magische Materie« (Barthes 1964: 225), Plastik sei »nicht nur eine Substanz, es ist die Idee ihrer unendlichen Transformation. […] Übrigens ist es gerade deshalb ein wunderbarer Stoff: Ein Wunder ist immer eine plötzliche Transformation der Natur. Von diesem Staunen bleibt das Plastik durch und durch geprägt« (ebd.: 223). Zu den Kunststoffen, die in den 1950er-Jahren populär wurden und das Alltagsdesign in der Folge nachhaltig beeinflussten, zählt auch das Acrylglas. Die Verwendung des transparenten Kunststoffs ermöglichte bis dato unbekannte Designlösungen und veranschaulicht eindrücklich die Einflussnahme chemischer Entwicklungen auf Designprozesse (vgl. Janich 1992: 63–85). Der »Schneewittchensarg« gehört zu den bekanntesten Industrieprodukten der 1950er-Jahre, deren Design maßgeblich durch die Verwendung von Acrylglas bestimmt ist.

Der chemische Fachbegriff für Acrylglas ist Polymethylmethacrylat, er verweist auf eine Zusammensetzung des ›Glases‹ aus »vielgliedrigen, unterschiedlich langen Ketten des Moleküls Methylmethacrylat« (Buchholz 2007: 11). Grundsätzlich wird zwischen drei Hauptgruppen von Kunststoffen unterschieden: Elastomere zeichnen sich durch ein gummiartiges, formbares Verhalten aus, vergleichbar mit Kautschuk. Duroplaste sind feste Kunststoffe, die auch bei sehr hoher Temperatur formbeständig bleiben und nicht schmelzen, sondern sich vielmehr zersetzen. Thermoplaste werden bei Erhitzung weich und formbar, erhärten allerdings nach Abkühlung wieder – hierzu zählt auch das Acrylglas (vgl. ebd.: 13). 1928 begann die Röhm & Haas AG in Darmstadt mit der Erzeugung von Acrylglas. Ziel war das Erschaffen eines glasartigen Kunststoffes, der unter Wärmeeinfluss geformt und sodann in abgekühltem Zustand wie Holz oder Metall bearbeitet werden konnte. 1933 wurde die Patentreife erreicht und der Markenname Plexiglas in das Markenregister eingetragen. Acrylglas ist daher die korrekte Bezeichnung für den Werkstoff, während der wahrscheinlich bekanntere Ausdruck Plexiglas den Markennamen meint. Bis in die 1940er-Jahre fand der Kunststoff vor allem in der Herstellung von Brillengläsern und Autofrontscheiben Einsatz, während des Zweiten Weltkriegs stieg der Bedarf aufgrund des Baus von Flugzeugkanzeln (vgl. ebd.: 17f.). Nach den Kriegsjahren mussten neue Anwendungsfelder erschlossen werden, woraufhin die vorhandenen Acrylglasreste bisweilen zur Herstellung von Schmuck und Möbelstücken genutzt wurden (vgl. ebd.: 45)

In den 1950er-Jahren fand Acrylglas sodann vermehrt in der Architektur und in der Designindustrie Anwendung, gerade die Oberflächengestaltung der immer populärer werdenden Jukeboxes erwies sich als äußerst rentabler Absatzmarkt. Allerdings war dies keine gänzlich neue Entwicklung, hatte der US-amerikanische Hersteller Wurlitzer doch schon in den 1930er-Jahren mit Acrylglas experimentiert (vgl. ebd.: 47–50). Die Tatsache, dass in den 1950er-Jahren schließlich auch Möbel aus Acrylglas immer beliebter wurden, wurde für Brauns ›Schneewittchensarg‹ zum wesentlichen Baustein seines Erfolges. Der Plexiglasdeckel gilt nach wie vor als das Element der Phonokombination, das ihren Status als Ikone des Phonogeräte- bzw. des Nachkriegsdesigns im Allgemeinen zementierte.

Ende der 1970er-Jahre wurde der Untergang der Kompaktanlage, zu der auch die  SK 4 und ihre unmittelbaren Nachfolger zu zählen sind, proklamiert – der Hi-Fi-Baukasten-Turm habe ihr endgültig den Rang abgelaufen (vgl. Anonym 1977: 110). Wie die Rezeption in Designfachzeitschriften, die Ausstellung auf verschiedenen Messen und schließlich sogar die museale Präsentation der Braun-Geräte und insbesondere der SK-Modelle zeigen, ging der ›Schneewittchensarg‹ tatsächlich in die Designgeschichte ein. In der auf Phonotechnik spezialisierten Fachpresse wurden die SK 4 und die entsprechenden Nachfolgemodelle hingegen kaum thematisiert. Kamen die Geräte zur Sprache, so nur in Form kurzer Kommentare, in denen wiederum das Erstaunen ob der äußeren Form überwog. Bei der Braun-Phonokombination handelte es sich um ein verhältnismäßig günstiges Gerät, das aufgrund seiner klanglichen Qualitäten in technikbegeisterten Kreisen offenbar kaum für Aufsehen sorgen konnte. Insofern ist das Gerät allem designspezifischen Innovationspotenzial zum Trotz auch Gegenstand einer nachträglichen Legendenbildung, die wohl zu großen Teilen im geschickten und visionären Marketing des Braun-Konzerns gründet.

DAS DOSSIER WURDE VERFASST VON BENJAMIN BURKHART.

Quellen

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Archivalien:
Braun-Prospekt, 1955. Bestand des Zentrums für Populäre Kultur und Musik.


Abbildungen

Abb. 1: Werbeprospekt des Herstellers Braun (1955), S. 7. Bestand des Zentrums für Populäre Kultur und Musik.
Abb. 2: Werbeprospekt des Herstellers Braun (1955), S. 21. Bestand des Zentrums für Populäre Kultur und Musik.
Abb. 3: ​ Artikel »Empfänger in Uniform« (1954). Hör Zu!18/1954, S. 3.
Abb. 4: Artikel »Endlich auch Radio- und Fernsehgeräte im Stil unserer Zeit« (1955). Architektur und Wohnform1/1955, S. 43.

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